
Passend zu den gegenwärtigen Hitzetagen bietet Ihnen der «Nebelspalter»-Channel einen Weekend-Krimi aus der Feder des Zürcher Kabarettisten Reto Zeller. Tatort: Limmatbad.
Die Geschichte ist nicht nur ausserordentlich geistreich, sondern auch dramaturgisch ausgesprochen ausgefeilt, mit allem Drum und Dran: Dreiste Diebstahlversuche, Undercover-Aktionen und Nasenbeinbrüche.
Mir gehts grossartig. Bleibt noch save … hm … ja gut, «Meisterwerk.doc». Und jetzt als Belohnung ab in die Limmat! Aber halt, der Laptop!
Überall hängen ja so Plakate, die vor Diebstahl warnen, mit Piktogrammen der beliebtesten Tricks. Besonders Analphabeten könnten diese Zeichnungen leicht als Gebrauchsanweisungen missverstehen.
Das Studipärchen
Ich überprüfe meine Nachbarn. Noch schwierig, nur vom Aussehen auf Analphabetismus zu schliessen. Versuch ichs halt übers Gehör. Hochdeutsch ist prominent vertreten. Mir wird mulmig zumute.
Deutsche gehören gemäss Pisa zum engeren Kreis der Verdächtigen. Gegenüber feiert ein Studentenpärchen mit einem Frizzantino. Ich schnappe etwas von Abschluss des Grundstudiums auf.
Er erwähnt was von 18 Semestern. Warum die wohl so lange gebraucht haben? Mussten sie sich Vorleser anmieten?
Das Kuckucksei
Hinter mir telefoniert irgendwas Fremdländisches. Ich mustere ihn. Sieht nach Ostblock aus. Analphabetismus ist ja das eine, aber wenn er sich auch noch mit Ostblockkriminalität paart…Moment! Ich töne ja wie gewisse Politiker! Ich schäme mich und setze deshalb bewusst ein Zeichen der Fremdenfreundlichkeit: Ob er nicht ein Auge auf meinen Laptop werfen würde, während ich schwimme? Man wisse ja nie, was für Leute sich hier rumtreiben.
Er freut sich über mein Vertrauen und verspricht: «Passe auf deine Computer wie Kuckuck auf seine Eier.» Das beruhigt mich. Zum Fluss schlendernd überlege ich mir das mit den Eiern nochmals. Mir kommen Zweifel. Vielleicht hat die SVP ja doch manchmal Recht. Ich blicke zurück. Er stiert gierig auf meinen Laptop. Eine brilliante Idee befreit mich von meiner Unsicherheit.
Ich setze meine salatgrüne Badekappe auf, dazu die rosa Schwimmbrille. Damit gelingt es mir, inkognito zurückzuschleichen. Ziel meiner Undercover-Aktion sind die zwei Studenten. Ich flüstere ihnen zu, ob sie nicht während meiner Abwesenheit einen Blick auf den Herrn da werfen würden. Der giere schon länger nach meinem Laptop. Verdächtig, nicht? Die beiden blinzeln an mir vorbei.
Als ich dazu noch etwas von Ostblock erwähne, teilen sie meine Bedenken. Der Student verspricht, bei der ersten unvorsichtigen Feindbewegung unzimperlich einzugreifen. «Das möchte sie ja sehen», meint darauf seine Studienkollegin und aktiviert mit einem linkischen Blick zu ihm ihre Handykamera. Ich lasse die beiden und nehme wieder Kurs auf den Fluss. Raffiniert, denk ich bei mir, raffiniert.
Der Fleischberg
Bei der Treppe liegt ein weiblicher Fleischberg, füllig, aber doch sichtbar muskulös. Sie sieht gelangweilt aus. Zwecks Ausschluss jeglichen Restrisikos frage ich auch noch sie, ob sie die beiden Studenten im Auge behalten könne.
Schon der Frizzantino zeige, dass sie knapp bei Kasse sind. Da käme ihnen mein Laptop wohl gerade recht. Ihre Zusage in einem ostdeutschen Trottoirdialekt beruhigt mich endgültig. Mein Meisterwerk ist so sicher wie der Untergang Hollands. Vielleicht sollte ich mich ja mal bei Banken als Sicherheitsberater anbieten.
Kann es noch schlimmer kommen?
Abkühlungsfreudig spaziere ich den Fluss hoch, springe rein und lasse mich abwärts treiben. Nach dem Ausstieg tropfe ich, ins rote Badetuch gewickelt, die Treppe hoch. Der Laptop ist immer noch da. Ich eile an meinen Platz und danke dem Kuckuck.
Da passierts: Kein Zeichen des Wiedererkennens! Vielmehr verfinstert sich seine Miene schlagartig. Verdammt! Es gelingt mir nicht rechtzeitig, mich meiner salatkappengrün-badetuchroten Tarnung zu entledigen. Durch die rosa Schwimmbrille sehe ich seine Faust auf mich zufliegen! Mein Nasenbein knackst.
Es hat sich schützend zwischen Faust und Restschädel geworfen. Ich taumle nach hinten, während er meinen Laptop packt. Wusst ichs doch! Nächstes Mal wähle ich SV…pfff. Mein Fall wird unsanft unterbrochen. 18 Frizzantinosemester klatschen an meinen Rücken. Ich pralle zurück Richtung Ostblock. Dieser verliert das Gleichgewicht.
Die Hände braucht er jetzt, um den Bodenaufschlag seines Steissbeins abzufedern. Der Laptop fliegt durch die Luft. Mein Herz steht beinahe still vor Schreck. Der Student aber hechtet wie ein American Footballspieler danach und kriegt ihn kurz vor dem Aufprall zu fassen. Nochmals gut gegangen!
Ja, es kann!
Die Veränderung seines stolzen Gesichtsausdrucks vollzieht sich aber sprunghaft zu schreckensstarrer Panik. In seinem Blick spiegelt sich ein wulstiges Etwas, das mit ausgebreiteten Tentakeln auf uns zustürmt. Als hätte er den Teufel gesehen, ergreift er die Flucht, stolpert aber über meinen Hals.
Der Laptop macht einen erneuten Abflug, prallt an ein Diebstahlwarnplakat und von dort zurück in Richtung meines Kopfes. Mit einer geschickten Bewegung nach links gelingt es mir, ihn mit meinem weichen Gesicht vor der Zerstörung zu retten.
Den Rest der Geschichte kenne ich nur aus dem Handyfilmchen der Studentin. Die heranwallende Woge aus deutschem Fleisch hat uns alle unter sich begraben. Der Laptop hat ihrem Gewicht erstaunlich lange standgehalten, bevor er geborsten ist.
Mein Meisterwerk mit den dreisten Diebstahlversuchen, Undercover-Aktionen und Nasenbeinbrüchen hat er mit sich ins Grab genommen.