
Liebe Zürcherinnen und Zürcher
Eine Nebelspalter-Ausgabe, die sich seitenlang über Zürich und seine Einwohner lustig macht? Bevor Sie jetzt empört die Antirassismus-Kommission bemühen, lesen Sie bitte diese Zeilen zu Ende. Erstens ist mit Georg Kreis ein Basler Präsident der ARK - also ein Mann, der Ihnen sehr gerne erklären wird, dass Rassismus nur dann vorliegen kann, wenn Charakterisierungen wie «arrogant», «laut» und «oberflächlich» tatsächlich nicht zutreffen würden.
Zweitens und viel wichtiger: Ich bin selbst Zürcher. Jawohl: Ich, der Nebelspalter, wurde 1875 von meinem Gründer Jean Nötzli in der Limmatstadt lanciert, wo ich mich ein halbes Jahrhundert lang auch sehr wohl gefühlt habe. Erst der St. Galler Ständerat Ernst Löpfe brachte mich nach Rorschach und mit dem legendären Chefredaktor Carl «Bö» Böckli zusammen.
Da heute die Schweizer Medien fast ausnahmslos in Zürich produziert wird oder Zürcher Grossverlagen gehören, fühle ich mich in meinem Ostschweizer «Exil» im Grunde recht wohl: als einzige politisch prononcierte Zeitschrift mit nationaler Ausstrahlung, die aus unabhängigem Haus und aus der Peripherie kommt. Am wenigsten wird das natürlich, wen wunderts, in meiner alten Heimat wahrgenommen. Zwei Seelen wohnen also, ach! in meiner Brust. Meine beiden Seelen werden Sie auch in dieser Nummer ansehen können. Die Anti-Zürich-Aufkleber, die Anfang Jahr massenhaft in Davos aufgetaucht waren, haben mich überhaupt bewogen, der latenten Züri-Feindlichkeit im Land nachzugehen. Von den Texten und Cartoons, die ich nun zu diesem Thema zeige, wurden über fünfzig Prozent von Zürchern geschrieben oder gezeichnet - was wiederum eindrücklich belegt, dass es ohne Zürcher noch viel weniger geht als mit ihnen.
Ich wünsche allen Zürchern eine vergnügliche Lektüre ihres Kantonsporträts und freue mich auf Zuschriften und Vorschläge, welchen Kanton, welche Stadt wir uns unbedingt auch einmal vornehmen sollten (was natürlich das Wissen voraussetzt, dass es neben Zürich noch etwas anderes gibt).