
Weshalb die Menschen im Lauf der Entwicklung vom Affen zum Homo sapiens ihr eigenes Fell verloren haben (sagen wir: die meisten Menschen), um sich dann sogleich wieder tierische Fremdfälle umzuhängen, ist bis heute ein evolutionsbiologisches Rätsel.
Nach der reinen Leere des Darwinismus setzt sich im Selektionsprozess schliesslich nur durch, was für den Fortbestand der Art einen nachweislichen Nutzen bringt. Wäre die Entwicklung hin zum Nacktaffen etwas Sinnvolles, wieso haben wir uns dann umgehend wieder in Klamotten gestürzt?
Die Heilige Schrift scheint in dieser Frage auch nicht wirklich weiterzuhelfen. Bei Genesis 3,6 erfahren wir, dass Adam und Eva im Anschluss an die Nascherei vom verbotenen Baum der Erkenntnis nichts anderes einfielen, als sich sofort aus Feigenblättern einen Schurz zu nähen, da die beiden sich plötzlich ihrer eigenen Nacktheit schämten. Bis heute blieb leider jene Obstsorte unentdeckt, deren Verkostung bewirken würde, sich der eigenen modischen Fehltritte zu schämen. Ohnehin bergen theologische Ansätze in der gestellten Kleiderfrage lauter Dilemmata. Wenn die Bibel paradiesische Nacktheit als den natürlichen Zustand vor dem Sündenfall versteht, wieso lungert dann die gesamte sündenfreie Teppichetage - Engel, Märtyrer und Seine Trinität höchstpersönlich - stets mit adrettem Faltenwurf in der kirchlichen Ikonografie herum?
Weil sich Kleider, rufen uns die Soziologen gelangweilt zu, bereits in der Vorzeit über den Primärzweck hinaus zu einer nonverbalen Sprache entwickelt haben, mit der sich das Individuum zur Gesellschaft in Relation setzt. Eben: Kleider machen Leute. Eine klare Grammatik weist die Kleider-Sprache allerdings nur noch in der Armee und in der Kirche auf. Jenseits dieser Schutzreservate ist sie nicht, wie oft fälschlich behauptet, am Verrohen, sondern vielmehr komplexer und lebendiger geworden, was gewissermassen dem «Sprecher» wie dem «Zuhörer» etwas mehr Übung abverlangt.
In dieser Optik kann Doris Leuthards Besuch am Eidgenössischen Trachtenfest in Freiämter Tracht noch als kleiner «Versprecher» gewertet werden, Calmy-Reys legendäre Kopftuch- und Schweizerkäppi-Auftritte eher schon als latente Legasthenie. Im internationalen Vergleich haben wir freilich noch keinen Grund zur Sorge: Muammar al-Gaddafi leidet in seinen Fantasieuniformen klar an akuter Logorrhö, Kim Yong Ils obligater Trainingsanzug deutet auf totalen Sprachverlust.