
Pascale Bruderer zieht im Gespräch mit dem ‹Nebelspalter› eine erste Zwischenbilanz zu ihrem Amtsjahr als Nationalratspräsidentin.
Pascale Bruderer, am 23. November 2009 wurden Sie mit einem Glanzresultat zur jüngsten Nationalratspräsidentin gewählt.
Der schönste Moment meiner politischen Karriere! Jedenfalls bis zu meinem Treffen mit dem Dalai Lama. Ich sehe mich noch heute überglücklich mit zwei Blumensträussen in den Händen, umringt von Gratulanten. In der linken die obligaten SP-Rosen, die mir Ursula Wyss überreichte, in der rechten das Arrangement der Parlamentsdienste. Es enthielt sogar Lavendelrispen, und das Ende November! Ich mag Lavendel, wissen Sie.
Schön. Nach der soeben zu Ende gegangenen Session sind wir jedoch geneigt, Sie nicht als Frau Nationalratspräsidentin anzusprechen, sondern als Schwatzbuden-Chefin.
Als studierte Politologin muss ich darauf hinweisen, dass sich «Parlament» vom altfranzösischen Verb «parler», «reden» ableitet.
Trotzdem: Mit dem sinnlosen Gezänk um den Staatsvertrag haben die Räte beim Volk eindeutig viel Kredit verspielt.
Das werden die nächsten Wahlen zeigen.
Zu denen Sie dem Vernehmen nach als Ständerats-Kandidatin antreten sollen.
Noch bin ich Nationalratspräsidentin.
Eine Präsidentin, die sich zu Beginn des Jahres als Brückenbauerin angekündigt hat.
Ja, wissen Sie, ich sehe mich als Kind …
… der Konkordanz. Das liest man in jedem Ihrer Interviews. Aber Hand aufs Herz, von Konkordanz ist in diesem Parlament nicht mehr viel übrig. Können sich die beiden Räte überhaupt noch zusammenraufen?
Haben sie doch bereits!
Inwiefern?
Indem wir parteiübergreifend den Medien Indiskretionen zuspielten, den Bundesrat fürs Sommertheater in Stellung brachten und uns selbst aus der Schusslinie nahmen.
Mit welchem Nutzen?
Damit sich die Parlamentarier in Ruhe auf ihre Wahlkampfreden vorbereiten können.
Wahlkampfreden?
Haben Sie Wahlkampfreden verstanden? Ich sagte doch 1.-August-Ansprachen.