
Während wir den Ausspruch «Gott hab ihn selig» umgangssprachlich bedenkenlos auf fast alle Mitmenschen anwenden, die wir zu Grabe tragen, ist uns nicht bewusst, dass dies im streng katholischen Sinn keine konjunktive Wunschform, sondern ein imperativer Befehl nach oben ist.
Das Selig- und Heiligwerden ist nämlich weder ein göttlicher Gnadenakt noch eine irdische Jekami-Veranstaltung. Sondern ein seit der ersten Jahrtausendwende durchkanonisiertes kirchliches Verfahren, jüngst angewandt auf den Polen Karol Wojty?a. Für den Karrieresprung im postmortalen Kader zwingend notwendig ist der wissenschaftliche Nachweis mindestens eines Wunders, für das es keine wissenschaftliche Erklärung gibt. Lustig. Wobei «selig» eine Vorstufe zu «heilig» ist, was in moderner Businesssprache mit «Regional Director» und «Global Product Management» zu übersetzen wäre; die heilige Barbara hat zum Beispiel weltweit den Tunnelbau unter sich. Du sollst dir zwar kein Bild von Gott machen. Davon, das restliche Jenseits nach diesseitigen Vorstellungen durchzustrukturieren, hat niemand gesprochen. Um die chronisch überbeanspruchte Dreifaltigkeit zu entlasten, hat der Vatikan Tausende von seligen Sachzuständigen und heiligen Lobbyisten eingesetzt, die angerufen werden können.
Für sehr viele Schweizer ist das heutzutage freilich Humbug. Sie haben mit Rosenquarzkristallen, Feng-Shui-Energiebildern und wirkstofffreien Globuli eindeutig viel bessere Erfahrungen gemacht. Lesen Sie ab Seite 12 unser Special über Vernunft, Glaube und Aberglaube. Damit beantworten wir auch gleich die Frage, ob man sich über Religion lustig machen darf: Wir sind bekanntlich nach Seinem Ebenbild geschaffen, da stammt doch wohl auch der Humor von ihm.