Wer bin ich

Marco Ratschiller | veröffentlicht am 07.10.2011

In dieser Ausgabe haben wir uns für Sie intensiv mit den bevorstehenden Wahlen auseinandergesetzt.

Wer bin ich
Swen (Silvan Wegmann) | Marco Ratschiller (Nebelspalter)

Für Sie  ? das bedeutet für Sie als Wähler wie auch für Sie als Kandidat. Gerade Letzteres ist nicht unwesentlich: Während die Zahl der Wähler von Legislatur zu Legislatur deutlich abnimmt, lassen sich umgekehrt immer mehr Leute als Amtsanwärter aufstellen. Man spricht vom ISBN-Effekt, was das Phänomen beschreibt, dass immer weniger Menschen lesen, aber jeder mindestens einmal ein Buch geschrieben haben will.

Der Ratssitz unter der Bundeskuppel gilt also weitum als erstrebenswert, weil er Renommee, Einflussmöglichkeiten und Verwaltungsratsmandate verspricht. Das lässt sich auch daran ablesen, dass immer mehr Kandidaten die lokal-kommunalen Niederungen schmähen und kraft ihrer medialen Bekanntheit als Herzchirurg, Verbandspräsident oder Fernsehmoderator direkt aufs nationale Parkett drängen. Auch die Editorials dieser Zeitschrift werden seit längerer Zeit von einem schlecht bezahlten Praktikanten geschrieben, weil sich der Chefredaktor auf seine Kandidatur für den nationalen Übergangsrat vorbereitet.

Fakt ist: Noch tiefer als die Wahlbeteiligung ist die Zahl jener, die sich auch wirklich mit den Inhalten der Kandidaten befasst haben, und nicht einfach nach Gesichtern wählen oder ? ohne je ein Parteiprogramm gelesen zu haben ? ihrem kümmerlichen Politkompass mit den «guten» und «bösen» Parteien folgen. Aber was solls. Da sich vorhin bereits der Praktikant als Verfasser dieser Zeilen zu erkennen gegeben hat, wird ohnehin kaum jemand bis hierhin gefolgt sein. Seine wirklich epochalen Gedanken spart er sich deshalb für jene Zeit auf, in der die erreichte Karrierestufe auch angemessenes Gehör zu erhalten verspricht. Eben: Image ist alles.   

Artikel erschienen in der Ausgabe

loader