Worauf kann man sich eigentlich noch verlassen?

Jan Peters | veröffentlicht am 29.02.2012

Der Schweizer Bundesrat hat, unter strikt basisdemokratischem Ausschluss der Öffentlichkeit, die Beschaffung von 22 Gripen-Kampfjets für ca. 3,1 Milliarden Franken geplant. Dieser Entscheid wurde kürzlich in der Sonntagspresse mittels Evaluationsberichten infrage gestellt.

Worauf kann man sich eigentlich noch verlassen?
Carlo Schneider | (Nebelspalter)

Gemäss diesen Rapporten sollen dem Gripen sogar die «minimal erwarteten Fähigkeiten» fehlen. Eine herbe Enttäuschung für die Leitung der besten Armee der Welt, die jedoch all diesem negativen Geschwätz kurz darauf in einer Pressekonferenz die Speerspitze brach.

Das ist allgemein bekannt. Was nicht bekannt ist, spielte sich wenige Tage zuvor in einem Bunker tief im St.?Gotthard ab, wo in einer geheimen Stabsübung alles durchgespielt wurde, was dann an der Öffentlichkeit später den luftwaffentechnischen Durchbruch brachte ? welchen eigentlich?

VBS-Chef Ueli Maurer, im Folgenden «¼-Bundesrat» genannt, präsidiert an der granitenen Tafel 800 Meter unter Tage. Aus­ser dem Departementsvorsteher sind an­wesend: Rüstungschef Ulrich Appenzeller, Luftwaffenchef Markus Gygax, Armeechef André Blattmann, Heereschef Dominique Andrey sowie eine VBS-Trulla, deren Namen sich niemand merken kann.

Der ¼-Bundesrat eröffnet die Sitzung mit einem kernigen «Grüezi miteinand!», zieht arglistig grinsend die Traktandenliste hervor und schmettert sie auf den Sitzungstisch. «Blattmann - vorlesen!» Blattmann springt auf, bleibt mit seiner flotten Armeehose an einem rostigen Stuhlnagel hängen, der ihm mit einem unüberhörbaren «Ratsch» einen Dreiangel aus dem Drillich reisst, und brüllt: «Verdammte Scheisse!»

Maurer beginnt, das genannte Traktandum aufgeregt brabbelnd auf seiner Liste zu suchen, während sich Heereschef Andrey die Zeit damit vertreibt, unter dem Tisch auf seinem Smartphone Bilder aus dem neuesten Playboy zu beäugen.

«Gygax: ACHTUNG!», fährt der Verteidigungsminister den mit dem Schlaf kämpfenden Luftwaffenkommandierenden an, «statt hier zu pennen, sehen Sie lieber nach, wo die Serviertochter mit den Menüvorschlägen für heute Mittag bleibt; wenn man so viel schafft wie wir, muss man auch tüchtig essen, gellet Sie?»

Gygax ab. Die VBS-Trulla beginnt übergangslos: «Gemäss Schlussbericht unseres Düsenjäger-Castings erreicht der Gripen bei der operativen Eignung 6.87 Pünkt ? und kann somit am Eurovision Song Contest in Baku teilnehmen.» Die Herren Vaterlandsverteidiger sehen einander verstört an, bis schliesslich der ¼-BR heiser bellt: «Das reicht jetzt, Fräulein! Vier Stunden Strafexerzieren unter dem Kommando von Appenzeller.» - «Ich hab doch gar nichts gemacht, ich war das gar nicht!», kreischt Appenzeller und protestiert, indem er mit den Armen hilflos in der Gegend herumrudert. Eine gelungene rhetorische Figur, die er dem unsäglichen Dr. Blocher abgeschaut hat.

Die Tür öffnet sich, Air Force No. 1 Gygax betritt den Raum. In seinem Gefolge die Bedienung mit den Essensvorschlägen: «Menü 1: Coq au vin. Dazu pro Person drei Kisten 1947er Château Lafite-Rothschild, magnum, gesponsert von der Dassault Aviation S.A. Menü 2: Bayerische Sauerkrautplatte, bürgerlich; zur Erfrischung?/pro Kopf: 12 Fässer Oktoberfestbier, EADS-Spezialbräu». ? «Bürgerlich? Kann man auch Sauerkrautplatte 'militärisch' haben?», kräht Andrey vorwitzig, «dieser Zivilistenfrass ist mir zu lasch»; und er lässt einen Papierflieger starten, der auf Gygax? sauteurem Pilotenhelm eine Bruchlandung hinlegt, während die Servicekraft die ersten 24 Kaffee, angereichert mit schwedischem Aquavit - spendiert von wem wohl? - bringt.

Wir verlassen nun diese kurzweilige helvetische Verteidigungssitzung und wenden uns den wirklich brisanten Themen unserer Epoche zu: Es gilt, klar Stellung zu beziehen zu dem, was seit geraumer Zeit mit Marketing-Getöse zum Mega-Hype erklärt wird - und in Wirklichkeit lediglich die finale, irreversible Verblödung der Menschheit eingeleitet hat. Wir sprechen von den so­genannten Sozialen Netzwerken à la Gesichtsbuch und ähnlich gelagerten Rohrkrepierern menschlicher Innovationsfähigkeit.

Schon erreicht den Verfasser dieser Zeilen der erste qualifizierte Tweet: «Haste?ne Vollklatsche, Mann, so?n Scheiss zu posten, ey?» Man kann doch unmöglich gegen diesen Trend sein, wo doch inzwischen jeder, der auf sich hält, sein bahnbrechendes Leben von der Befruchtung bis zur Abdankung öffentlich fotografisch dokumentiert, mit Millionen von Freunden teilt und in Timelines darstellt.

Und die tollen Revolutionen in Nordafrika erst, die wären ohne die Neuen Medien ja gar nicht vorstellbar. Wie würden beispielsweise die Tessiner die saufenden, klauenden und pöbelnden Tunesier vermissen, die dank digitaler Umstürze zu ihnen gelangt sind und sich mit ihrer feinfühligen Art bei der Landesbevölkerung einschmeicheln.

Da lobt man sich doch den standhaften syrischen Präsidenten, der sich von diesem ganzen digitalen Klimbim nicht beirren lässt, sondern nach bewährter Despotenart das Land mit seinen analogen Panzern vom Gesindel säubern lässt: Wenigstens einer, auf den man sich noch verlassen kann.

Jan Peters

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