Adopt a German!

Diana Porr | veröffentlicht am 31.05.2012

Natalie Rickli hat natürlich recht. Deutsche in Massen sind wirklich kein schöner Anblick. Das weiss jeder, der regelmässig rüber nach Konstanz zum Einkaufen fährt.

Adopt a German!
(Nebelspalter)

Aber es gibt Schicksale, die betroffen machen. Als Kind in Deutschland geboren zu werden, bedeutet für die meisten: Chancenlosigkeit und lebenslang dieses ominöse Hartz IV. Schon früh müssen diese Menschen unter mangelhafter medizinischer Versorgung, autoritärer Kasernenhof-Politik und unfassbar hohen Steuern leiden. Viele sehen da nur noch einen verzweifelten Ausweg - ihr Land zu verlassen.

Aber auch in der Schweiz werden die Deutschen oft diskriminiert. Sie streunen verwirrt in unseren Fussgängerzonen herum und schauen Sie mit grossen traurigen Augen an. Sie kommen aus einem fremden Kulturkreis und sie sprechen eine fremde Sprache, die in unseren Ohren harsch, ungeschlacht und arrogant tönt. Sie tragen Tennissocken zu Treckingsandalen, trinken schlechten Filterkaffee und sie fühlen sich oft einsam und ungeliebt. Und sie leiden unter den Vorurteilen und Ressentiments, die ihnen bei uns allzu häufig entgegengebracht werden.

Helfen Sie aktiv mit!
Sie können etwas tun, um diesen armen Menschen zu helfen! Integrieren statt diskriminieren! Darum hat der Nebelspalter? die Aktion «Adopt a German» ins Leben gerufen. Und das funktioniert so: Wenn Sie eines dieser herzigen Wesen adoptieren wollen, dann nehmen Sie zunächst an unserem kleinen Einführungskurs für Adoptionswillige teil.

Kursprogramm
- Lektion 1: Bei einem ersten gemeinsamen Integrations-Apéro studieren Sie die Unterschiede zwischen einem Becks, einem Kölsch und einer ordentlichen bayerischen Mass Weissbier. (Die Übung wird so oft wiederholt, bis jeder Kursteilnehmer das Lernziel verinnerlicht hat.)
Anschliessend trainieren Sie, Ihre völlig unbegründete Scheu vor dem Schriftdeutschen zu überwinden beim Nachsprechen einfacher hochdeutscher Sätze wie: «Der Cottbusser Postkutscher putzt den Cottbusser Postkutschkasten» und «Ein chilenischer Chirurg schenkt in Chemnitz tschechischen Skifreunden chinesische Wachsmasken».
- Lektion 2: Gefühle und Intimität ausdrücken auf Hochdeutsch. (ÜbungspartnerInnen und Kondome sind selbst mitzubringen und können nur in Ausnahmefällen gestellt werden.)
- Lektion 3: Allgemeine Verhaltensregeln im Umgang mit Deutschen in spontaner Kommunikation: Erschrecken Sie nicht, verfallen Sie nicht in Panik und machen Sie keinesfalls hektische Abwehrbewegungen. Der Deutsche ist in der Regel freundlich und will nur spielen. Sie werden sehen, schon bald sind Sie fit für die Kommunikation mit Ihrem Wunschdeutschen und können das Gelernte zudem mühelos in Ihren Alltag integrieren und Ihren deutschen Chef weltmännisch mit «Hallihallo» oder «Grütze» begrüssen. Sie werden sehen, das schafft gleich eine viel lockerere Arbeitsatmosphäre!

Integrationsprogramm
Nach einer kleinen schriftlichen Abschlussprüfung bekommen Sie Ihren Deutschen und können ihm nun unsere reichhaltige Schweizer Kultur näherbringen:
- Korrigieren Sie geduldig die sprachlichen Unzulänglichkeiten Ihres Deutschen und bringen Sie ihm den Konjunktiv bei. Erklären Sie ihm, dass das Puff in Ihrem Büro kein Bordell ist, Finken keine Vögel und ein Sackmesser kein Vermessungsgerät für Geschlechtsorgane.
- Leisten Sie kulturelle Entwicklungshilfe und erläutern Sie Ihrem Schützling, dass der Nebelspalter und nicht die Weltwoche? das Schweizer Gegenstück zur deutschen Ti­tanic? ist. Erklären Sie ihm, warum Roger Federer besser ist als der FC Bayern und dass direkte Demokratie heisst, die Abstimmungsunterlagen direkt nach Empfang ins Altpapier zu geben.

Indem Sie Ihrem Deutschen Ihre schöne Heimat zeigen, werden Sie sie auch für sich selber neu entdecken. Sie werden stolz sein auf Dinge, die Sie bis anhin nie leiden konnten: das Steuersystem, den Bundesrat, Zürich, das Mittelmass, den WK, Alex Frei, die Rätoromanen.

Gehen Sie behutsam vor
Achten Sie bitte auf artgerechte Ernährung und gewöhnen Sie Ihren Deutschen behutsam von Currywurst und Buletten auf Cervelat und Fondue um. Wenn Sie sorgsam mit ihm umgehen, werden Sie viel Freude an ihm haben und Sie werden sehen: Schon bald wird er die Schweizer Mentalität verstehen und schätzen lernen und mit etwas Geduld und liebevoller Zuwendung wird Ihr Deutscher vielleicht schon bald ein richtiger Schweizer werden, so wie Sie.

Werden auch Sie Pate! Mit dem Einsatz von nur wenigen Stunden pro Woche können Sie ein Leben verändern!

Aktuelle Katalog-Beispiele
- Michael, 43, Rennfahrer aus Hürch-Hermülheim
- Sibylle, 39, Autorin aus Weimar
- Klaus, 68, Ex-Deutsche-Post-Chef und Steuersparer aus Bochum
- Peer, 65, Nächster deutscher Kanzler aus Berlin

Wenn Sie sich jetzt spontan entschlossen haben, einen unserer Deutschen zu adoptieren, dann schicken Sie bitte Ihre Bewerbung an den Nebelspalter (Kennwort «Adopt a German») und sichern Sie sich Ihren Wunschdeutschen! Falls Sie Deutscher sind und in unsere Kartei aufgenommen werden möchten, um sich adoptieren zu lassen, kontaktieren Sie uns bitte auf demselben Weg. Sie können unser Entwicklungshilfeprojekt natürlich auch mit einer einmaligen Spende unterstützen. Nähere Informationen unter: www.nebelspalter.ch, Stichwort: Jahresabo.

Artikel erschienen in der Ausgabe

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