
Ob wir wollen oder nicht, London hat uns fest im Griff. Anfang Juni flimmerten tagelang die Feierlichkeiten zum 60. Thronjubiläum der Queen über den Bildschirm, und nun rücken uns die Briten mit Olympia auf die Pelle. Fest steht: Die Spannung steigt, der Countdown läuft.
Mein Kumpel Eberhard, abergläubisch wie er ist, meint, es wäre besser gewesen, wenn das olympische Feuer nicht aus Griechenland gekommen wäre. Aus diesem maroden Land, in dem es derzeit zappenduster ist. Für ihn kein gutes Omen. Nun ja, wir werden sehen.
Seit Wochen bereite ich mich auf die Olympischen Spiele vor. Meine körperliche Fitness habe ich gezielt gesteigert. Jogging, Sauna, Gymnastik und Hanteltraining. Auch die mentale Seite habe ich berücksichtigt. Unter Anleitung eines tüchtigen Therapeuten sind im ständigen Wechsel Kon-zentrations- und Entspannungsübungen durchgeführt worden. Resultat: Jetzt fühle ich mich topfit.
Vor mir liegt ein echter TV-Marathon. Wer jeden Tag rund um die Uhr mithalten will, kommt um eine intensive Vorbereitung nicht herum. Ich hoffe sehr, dass meine Rückenwirbel mir keinen Strich durch die Rechnung machen. Sie verhalten sich zeitweise äusserst fernsehfeindlich. Notfalls muss ich halt die sportlichen Ereignisse im Liegen verfolgen.
Zum Glück kann uns daheim vor dem Bildschirm der englische Regen nichts anhaben. Blasenentzündungen bleiben dem britischen Königshaus vorbehalten. Mit Erkältungskrankheiten anderer Art sollen sich die Zuschauer vor Ort mitsamt den Athleten herumschlagen. Meteorologisch betrachtet, befindet sich London eben doch in einer nicht unproblematischen Wetterzone.
Mit trockenen Füssen und klarem Kopf versuche ich, die auftretenden Probleme während des TV-Marathons zu lösen. Das ist nicht ganz einfach. Bonzo, meinen Hund, habe ich im Tierheim angemeldet. Meine Freundin Barbara, eine durch und durch sportresistente Person, hat sich über Nacht von mir getrennt. Ob sie nach Beendigung der Spiele zu mir zurückkehrt, ist ehrlich gesagt noch völlig ungewiss. Sportliche Grossereignisse bringen eben gewisse Verwerfungen im Umfeld mit sich. Damit müssen wir leben.
Mir ist vollkommen klar, dass die bevorstehenden TV-Wochen eine ungeheure Herausforderung für mich sind. Da heisst es Haltung bewahren. Mein Grundsatz ist nach wie vor: Dabei sein ist schön, durchhalten ist alles. Sollten die Ereignisse meine Kräfte übersteigen, so habe ich vorgesorgt. Einer unbürokratischen und speditiven Überweisung in ein Erholungsheim durch meinen Hausarzt steht nach dem 12. August nichts im Wege.
Gerd Karpe