
Wir alle kennen diese Statistiken und Schätzungen: Zum Beispiel, dass hierzulande jedes Jahr Hunderte Menschen spurlos und auf ewig verschwinden.
Wir alle können nur bestätigen: Offensichtlich leider immer die falschen. Oder, dass täglich Dutzende von Tier- und Pflanzenarten aussterben - durch die Schuld des Menschen. 99,9 Prozent aller untergegangenen Spezies entschieden sich zu diesem Schritt übrigens noch bevor Ötzi in seine Gletscherspalte fiel. Quasi in weiser Voraussicht.
In meinem von Fortuna vergleichsweise milde belächelten bisherigen Leben beschränkt sich die Erfahrung des Verschwindens vornehmlich auf den Konsumgütermarkt: Diesen Sommer ereilte mein heiss geliebter Heidelbeersaft dieses Schicksal - ein Produkt, das so trendig-nachhaltig-gesund durchgestylt war, dass ich ihm auch seinen kleinen Schönheitsfehler verzieh: Gerade mal ein Prozent Blaubeer-Moleküle schwammen im Innern des stolz auf den Namen Blueberry getauften Tetrapaks. Womöglich deshalb dauerte unsere innige Freundschaft nur wenige Monate: Die Produktmanager von «Für mich und dich» hatten offenbar entdeckt, dass ich der einzige trendig-nachhaltig-gesunde Käufer war. Für mich oder dich reichte wohl nicht, das und hat schon seinen Sinn.
Das Neue tritt meist mit Pauken und Trompeten an, das Gehabte verschwindet auf leisen Sohlen. Die Ausnahme der Regel bildet der Arbeitsmarkt: Hier bringen verschwundene Jobs die Schlagzeilen, während neu geschaffene als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Mit der Wirtschaft im Grossen verhält es sich wie mit meinem Saft im Kleinen: Wirklich für jedes Mich und jedes Dich geht die Sache nur in der Theorie auf. Trotzdem hoffe ich nun, dass in dieser Ausgabe für jedes Sie etwas dabei ist.
Marco Ratschiller