Parkplatzspitz

Andreas Thiel | veröffentlicht am 08.11.2012

Die neue satirische Kolumne von Andreas Thiel befasst sich mit der Parkplatznot in Zürich.

Parkplatzspitz
(Nebelspalter)

Eggenschwiler: Verkehrsdepartement der Stadt Zürich Eggenschwiler guten Tag?

Müller: Guten Tag, hier ist Müller. Ich sollte die Halteverbotsschilder liefern.

Eggenschwiler: Auf diese Schilder warten wir doch schon seit Wochen!

Müller: Ich habe einen Parkplatz gesucht.

Eggenschwiler: Und haben Sie jetzt endlich einen gefunden?

Müller: Ja, in Neapel.

Eggenschwiler: Mein Gott, was tun Sie in Neapel?

Müller: Laut meinem Navigationsgerät war das hier der nächstgelegene freie Parkplatz für Zürich.

Eggenschwiler: Kommen Sie sofort zurück!

Müller: Ich kann nicht. Mein Lastwagen wurde von der Polizei konfisziert. Ich hatte zu wenig Geld, um die Schutzgebühr für den Parkplatz zu entrichten.

Eggenschwiler: Dann gehen sie gefälligst zum nächsten Polizeiposten und fordern den Lastwagen zurück.

Müller: Die wollen ihn nicht zurückgeben. Die Polizisten haben die Paletten mit den Bussenblöcken entdeckt und sogleich beschlagnahmt.

Eggenschwiler: Unsere Bussenzettel? Die gehören zu den Verbotsschildern!

Müller: Das haben die Polizisten hier auch gemerkt und sofort damit begonnen, die Verbotsschilder aufzustellen und Bussen zu verteilen.

Eggenschwiler: Was? Die Ladung ist bereits bezahlt, das heisst, die Verbotsschilder sind Eigentum der Stadt Zürich!

Müller: Gratuliere! Die Stadt Zürich besitzt jetzt sogar Halteverbote in Neapel.

Eggenschwiler: Gehen Sie sofort zum Polizeipräfekten und fordern Sie die Ladung zurück.

Müller: Habe ich versucht. Aber das Taxi hat im Umkreis von mehreren Kilometern um die Polizeipräfektur keine Möglichkeit gefunden, anzuhalten und mich aussteigen zu lassen, da bereits überall Halteverbotsschilder rumstehen.

Eggenschwiler: Mein Gott, was höre ich da bei Ihnen im Hintergrund? Sind das Schüsse?

Müller: Ja, da streiten sich ein paar Lieferanten um einen Parkplatz.

Eggenschwiler: Und die Polizei schreitet nicht ein?

Müller: Die steckt noch in Verhandlungen. Die Polizisten versuchen, den Lieferanten illegale Parkplätze zu verkaufen. Aber die Schwarzmarktpreise für Parkplätze sind hier sehr hoch.

Eggenschwiler: Die könnten unsere Parkfallen gut gebrauchen. Das sind mit Selbstschussanlagen bestückte Parkuhren, die das parkierte Auto blitzen, sobald die Parkzeit abgelaufen ist.

Müller: Solche Anlagen stehen in Zürich?

Eggenschwiler: Noch nicht. Sie sind bestellt, aber der Chauffeur sucht schon seit zwei Monaten einen Parkplatz. Ich glaube, er ist zurzeit in Kopenhagen.

Müller: In Kopenhagen gibt es noch Parkplätze? Wenn ich das gewusst hätte ...

Eggenschwiler: Offiziell nicht. Aber es gibt dort eine gut organisierte Parkplatzbesetzerszene, die sich erfolgreich dagegen wehrt, ihre Fahrzeuge von den aufgehobenen Parkplätzen zu räumen.

Müller: Ich habe gehört, in Zürich plane eine Bürgerbewegung, den Platzspitz zu besetzen und daraus einen Parkplatzspitz zu machen.

Eggenschwiler: Deswegen brauchen wir ja auch so dringend die Halteverbotsschilder und die Bussenblöcke.

Müller: Hier in Neapel ist letzte Woche ein grosser Parkplatzschwindel aufgeflogen. Die Stadtverwaltung hat Parkplätze vermietet, die gar nicht existieren.

Eggenschwiler: Da haben unsere Bürger schon mehr Glück mit ihrer Verwaltung. Wir haben in Schwamendingen ein betreutes Parkfeld für randständiges Parkieren eröffnet. Und um die Parkplatzbalance zu halten, kompensieren wir aufgehobene Parkplätze mit gebührenfreien Parkfeldern in Rumänien. Zudem gibt es in Oerlikon ein erstes Parkhaus für alleinerziehende Mütter.

Müller: Ich habe gehört, ein amerikanischer Milliardär habe verlauten lassen, er werde demnächst als erster Mensch seinen Wagen auf dem Mond parkieren. Stimmt es übrigens, dass ein israelischer Siedler ein Massaker in einer palästinensischen Koranschule angerichtet hat, nachdem eine Rakete der Hamas vor seinen Augen einen freien Parkplatz traf?

Eggenschwiler: Nein, das ist ebenso ein Gerücht wie die Geschichte, dass der Bundesrat von Deutschland gefordert habe, Polizeidaten über Parksünder mit Wohnsitz in der Schweiz an unsere Behörden zu liefern.

Müller: Ich habe ja schon mehrere Termine beim Amtsrichter verpasst, weil ich keinen Parkplatz gefunden habe. Dabei ging es jedes Mal um Parksünden.

Eggenschwiler: Die Stadtpolizei hat zusammen mit der Münsterpfarrei im Opernparkhaus einen beheizten Beichtstuhl eingerichtet, wo man Parksünden beichten kann.

Müller: Und muss man dann auch Busse tun?

Eggenschwiler: Ja, in Form einer Busse, die man bezahlt. Dafür wird man nicht registriert. Der reuige Parksünder profitiert vom Beichtgeheimnis.

Müller: Kann ich die Parkplatzsuche als Arbeitszeit verrechnen?

Eggenschwiler: Aber sicher, tun Sie das. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe auch noch einiges zu erledigen. Corinne Mauch will eine internationale Parkplatzkonferenz einberufen, um Strategien zu diskutieren, wie man den Parkplatzsuchverkehr eindämmen oder wenigstens international koordinieren könnte. Wir suchen nur noch einen Ort, wo es genügend Parkplätze gibt für all die Staatslimousinen.
 

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