
In der Literatur spielt der Zahn eher eine Nebenrolle. Vielleicht bei Schiller, weil sich Zahn gut auf Wahn reimt. Oder bei Brecht, wo der Haifisch seine Zähne zeigt.
Auch der Solothurner Ernst Burren lässt im Mundarttext «Dr Zang im Pfirsich» (1979) die Leser wissen, dass bereits dichterische Milchzähne in der Lage sind, scherz- sowie herzhaft zuzubeissen. «Auge um Auge, Zahn um Zahn», empfiehlt schon das Buch der Bücher Rachsüchtigen. Die brisante Frage, ob bereits mit dem Verlust eines einzigen Weisheitszahns ein Verlust an geistiger Substanz verbunden sein könnte, ist rein wissenschaftlich noch längst nicht geklärt. Auch Leuten mit einem ansonsten guten Mundwerk raten Zahnärzte, falls ein Weisheitszahn einmal Probleme bereiten sollte: «Nur raus damit.» Ohne Rücksicht auf geistige Verluste. Anders bei Schneide- und weiteren Zähnen, die nützlich und dazu noch deutlich sichtbar sind. Brücken, Kronen, Implantate machen wieder gut, was in der Jugend schiefgegangen oder im Laufe des Lebens zu Bruch gegangen ist. Gold gehört als eiserne Reserve für das Alter und als Zeichen eines gewissen Wohlstands auf die Bank und nicht mehr in den Mund. Auch wenn es heisst «Morgenstund hat Gold im Mund».
Die Wurzel des Übels
Wer heutzutage nicht mit schönen, ebenmässigen weissen Zähnen blenden kann, hat im beruflichen Leben nichts zu lachen. Es sei denn, er ist Nachtwächter oder sie ist eine Klosterfrau. Zähne, die scharfkantig wie die Dolomiten sind und aussehen wie der Rosengarten in Tirol sind out. Trotz gewisser Vorteile beim Zerkleinern zäher Steaks. Schiefe Zähne, faule Zähne, abgebrochene, vom Rauchen verfärbte oder allgemein verschlissene Zähne sind heutzutage ein gesellschaftlicher Makel. Und ein Übel an sich. Jedoch ein Gesundbrunnen für die Medizintechnik, für Zahnärzte und Zahntechniker in den Zahnlabors. Daran ändern selbst auf Knopfdruck rotierende Zahnbürsten nichts. Die Werbung zu derartigem Schnickschnack und allem Gefasel zum Thema Zahnreinigung verhindert weder Zahnstein noch das Loch im Zahn. Es schafft höchstens neue Löcher im privaten Haushaltsbudget. Den Stein des Weisen sucht die Medizintechnik im menschlichen Gebiss vergebens. Wird nach der Geburt eines Sohnes das Erscheinen des ersten Milchzahns von Eltern und Verwandten noch wie ein neues Weltwunder bestaunt, weckt dann nach langen, abwechslungsreichen Jahren der letzte Zahn, der allen zahnärztlichen Bemühungen zum Trotz überlebt hat, bei den Erbberechtigten andere Gefühle. Der Anblick eines einsamen künstlichen Gebisses im Wasserglas als einzigem Erbstück bedeutet für die zunächst hoffnungsvoll und verhalten trauernde Erbengemeinschaft, bestehend aus Enkeln und Urenkeln, so etwas wie ein mittleres Erdbeben. Der Zahn der Zeit hatte nicht allein an der Substanz des persönlichen Kauwerkzeugs des im hohen Alter Verschiedenen, sondern wegen finanzieller Anforderungen eines stets vergnüglichen Daseins ebenso am Ersparten erfolgreich genagt. Gleich einem Biber, der mit seinen Zähnen sogar Bäume zu Fall bringen kann. Da heisst es Haltung bewahren und tapfer auf die eigenen Zähne beissen.
Zum Zähneklappern
Selbst Leute, die nicht viel zu beissen haben, brauchen Zähne. Das fand auch Heliane Canepa, als sie noch als CEO der Firma Nobel-Biocare, Medizintechnik, fleissig und enthusiastisch durch die Welt tigerte. Heute muss sie zusehen, wie der FC Zürich unter der Regentschaft ihres Mannes auf dem Zahnfleisch kriecht. Christoph Blocher hingegen zeigt die Zähne, wo immer sich dies als politisch wirksam erweisen könnte. Haare auf den Zähnen haben ist biologisch nicht gut möglich. Nur sprachlich. Meist sind es Weiber wie Alice Schwarzer, die es mit jedem behaarten Kerl aufnimmt. Die verkniffenen Lippen des deutschen SP-Kanzlerkandidaten Steinbrück lassen keinen definitiven Schluss auf sein Gebiss zu. Schon eher auf seine geistige Verfassung. Politische Gegner erlauben sich höchstens, auf den Stockzähnen über ihn zu lachen. Ihm einmal richtig auf den Zahn zu fühlen traut sich doch niemand. Dass Ueli Maurers Streitmacht auch ohne zubeissende Kampfflugzeuge je zur besten Armee der Welt gekürt werden könnte, passt wohl besser in eine Neuauflage von Grimms Märchen «Der Präsident und die sieben Zwerge». Untertitel: «Der zahnlose Gripen». Prognose: Heulen und Zähneklappern wird wegen übertriebener Sparsamkeit und politischem Eigennutz eines Tages in Helvetien zu hören sein - wenn es so und nicht anders weitergeht. Es sei denn, der Souverän des Landes liesse sich den einen oder anderen Zahn doch noch ziehen.