Heiratsofferte

Ruedi Stricker | veröffentlicht am 28.02.2013

Sehr geehrte Frau Helbling, nachdem ich mich lange gegen das Ansinnen meines Steuerberaters gewehrt hatte, in den Ehestand zu treten, bin ich in den l ...

Heiratsofferte
Gabriel Giger | (Nebelspalter)

Sehr geehrte Frau Helbling, nachdem ich mich lange gegen das Ansinnen meines Steuerberaters gewehrt hatte, in den Ehestand zu treten, bin ich in den letzten Monaten zur Erkenntnis gelangt, dass eine Heirat doch mit erheblichen Vorteilen verbunden wäre. Aufgrund dieses Sinneswandels habe ich meinen Rechtsanwalt beauftragt, eine geeignete Person zu evaluieren. Nebst zwei weiteren Damen, die in diesen Tagen ähnlich lautende Vorschläge erhalten, scheinen Sie fast die ideale Kandidatin zu sein. Schon die Tatsache, dass wir zufälligerweise beide «Helbling» heissen, verheisst Gutes: keine neuen Visitenkarten, keine teuren Türschilder. Zudem bin ich überzeugt, dass man Ihnen als Inhaberin des Reinigungsinstituts Helbling GmbH nicht zu erklären hat, wie ein sauberer Fussboden auszusehen hat. Und da Sie ursprünglich eine Ausbildung als dipl. Pflegefachfrau absolviert haben, sind bei der Behandlung meiner chronischen Hämorrhoiden erhebliche Einsparungen zu erwarten.

Erlauben Sie mir auch einige Anmerkungen zu meiner Person. Ich habe schon kurz nach dem Studium den Betrieb meines Vaters geerbt. Wir stellen heute Wasch- und Reinigungsmittel für die Industrie, Reinigungsinstitute und den Facheinzelhandel her. Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, Sie auf den durchschlagenden Erfolg unseres neuen Produkts «Explosiv» aufmerksam zu machen. Da wir unseren Betrieb stets mit Umsicht geführt haben, stehen mittlerweile erhebliche Reserven in Form von Mietliegenschaften zur Verfügung. Falls Sie also nach unserer allfälligen Heirat nicht daran denken, gemeinsam unter einem Dach zu wohnen, können wir ihnen ganz in der Nähe eine sehr schöne Dreizimmerwohnung vermieten.

Was das weitere Vorgehen anbelangt, schlage ich vor, dass wir uns demnächst bei einer Tasse Kaffee kennenlernen. Ich halte die vorliegende Offerte vier Wochen aufrecht und sehe Ihrer Nachricht nicht ohne Spannung entgegen. Und wie es sich für ein romantisches Schreiben der vorliegenden Art gehört, finden Sie selbstverständlich in der Beilage einen Gutschein für 5 Rosen Ihrer Wahl, einzulösen beim Blumengeschäft Helbling an der Gartenstrasse 5. Richten Sie bitte meiner Schwester einen Gruss aus.Mit freundlichen Grüssen

Friedrich Helbling, lic. oec.

Artikel erschienen in der Ausgabe

loader