
Es war ein fulminanter Sieg für Thomas Minder und ein unübersehbares Signal in die Welt hinaus: Das Schweizer Volk hat vor wenigen Wochen die ...
Es war ein fulminanter Sieg für Thomas Minder und ein unübersehbares Signal in die Welt hinaus: Das Schweizer Volk hat vor wenigen Wochen die Abzocker-Initiative klar gutgeheissen. Doch haben Sie wirklich geglaubt, damit seien die Abzocker nun weg? Haben Sie gedacht, dass nur noch ein bisschen Schwefelgeruch in der Luft hängt? Wegen einer kleinen Abstimmung - im Ernst? Nein! Sie sind noch da. Gerade eben lassen sie von Treuhändern ihre Steuererklärungen ausfüllen. Der Nebelspalter gewährt erstmals einen erschreckenden Einblick in eine skandalöse Schattenwelt.
An:
Treuhandbüro
«Goldenes Händchen»
Seeblickweg
6300 Zug
Betrifft: Steuerabzüge Ihres Mandanten
Sehr geehrter Herr Treuhänder
Wir beantworten die Anträge auf Steuerabzüge Ihres Mandanten wie folgt.
Vorab einige Erläuterungen zu den Personalien: Unter «Zweck des Unternehmens» bitten wir Sie, konkretere Aussagen zu machen als «Wir widmen uns der Geldvermehrung, manchmal auch der -vernichtung». Ebenso zu vervollständigen ist bitte die Adresse des Hauptsitzes, jetzt bezeichnet mit «Briefkasten in Zug, Fabrik in Polen».
Bitte klären Sie Ihren Mandaten dahingehend auf, dass unter «Zuwendungen an Vorsorgeeinrichtungen des eigenen Personals» nicht Zuwendungen gemeint sind, die er sich selbst gegenüber aus der Pensionskasse gemacht hat. Wir sehen vorderhand ab, diesen Umstand der Revisorenstelle Ihres Unternehmens zu melden, unter der Voraussetzung, der Betrag wird wieder in die Pensionskasse zurückgebucht.
Die unter «Zuwendungen an Dritte» aufgeführten Geschenke an die Geliebte können leider nicht anerkannt werden. Auch die Honorarrechnung für «diverse Gefälligkeiten» von Liebesdienerinnen können in dieser Kategorie nicht berücksichtigt werden.
Die «Freiwillige Geldleistung an juristische Personen mit Sitz in der Schweiz, die steuerbefreit sind» an die FIFA müssen wir so akzeptieren, auch wenn wir nicht umhin kommen, darauf hinzuweisen, dass solche grossen Geldbeträge nicht in bar erfolgen sollten. Wir retournieren zu unserer Entlastung Ihren Beleg mit der handschriftlichen Aufschrift «Betrag erhalten und Gruss, Sepp» bei. Unter «Spenden» wird der Mitgliederbeitrag an Economiesuisse aufgeführt. Eigentlich ist eine Spende eine Opfergabe, für die man keine Gegenleistung erwarten darf. In diesem Falle wollen wir ein Auge zudrücken.
Unter «Abzüge» machen Sie mehrere Beträge beim Punkt «Minderjährige, deren Unterhalt Sie bestreiten» geltend. Handgelder an die Mütter unehelicher Kinder können als Beleg leider nicht zugelassen werden, ebenso wenig wie die Pauschale für «minderjährige Prostituierte». Ihr Mandant ist kinderlos und führt neu ein Adoptivkind auf. Leider müssen wir auf amtliche Adoptionspapiere bestehen, die dies bestätigen; ein Abzug ist nicht im voraus möglich. Der schriftliche Hinweis «Adoption eines Zyprioten: Die Bellers haben auch schon einen. Gehen schneller weg als Äthiopier» ist in diesem Fall leider ungenügend.
Weiter führen Sie Abzüge für «Unterstützungsbedürftige Personen» auf. Wir erlauben uns, die Liste von «diversen Cousins in Griechenland und Zypern» anzuzweifeln, bis Sie den Nachweis der Verwandtschaft erbringen können.
Die Spalte für die «Nebenerwerbstätigkeit der Ehefrau» muss korrekt ausgefüllt werden, die handschriftliche Bemerkung Ihres Mandaten «Die Galerie meiner Alten macht Verlust» ist hier wenig hilfreich.
Unter «Berufsauslagen» geben Sie mehrere verlängerte Wochenenden in St.?Moritz (Winter) und St.?Tropez (Sommer) an, die «geschäftlichen Zwecken» dienten. Wir möchten Sie höflich um eine zusätzliche Erklärung bitten, welchen Geschäften die Käufe von Skiausrüstungen und Badekleidern dienten.
Ferner bitten wir Sie, Ihren Mandanten darüber zu belehren, dass unter «behinderungsbedingte Kosten» nicht Strassenbehinderungen gemeint sind, derentwegen Ihr Mandant verspätet zu einem Meeting kam, weshalb er ein aussichtsreiches Geschäft verpasste.
Die Angaben zu «Vermögen im In- und Ausland» sind zu unkonkret. Die Bemerkung «Das Geld ist elektronisch unterwegs und zwischen Cayman Islands und Liechtenstein und kann nicht angehalten werden» entbehrt nicht einer gewissen Komik, scheint für unsere Zwecke aber nicht zielführend. Unter «Vorräte und Warenlager» macht Ihr Mandant geltend, der Weinkeller sei leer, weil man sich während der Krise nichts wie besaufen musste. Wir nehmen diese etwas unorthodoxe Inventarliste so zur Kenntnis.
Eine Diskrepanz stellen wir fest unter «Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte»: Sie listen für Ihren Mandanten sowohl «Abo-Kosten für öffentliche Verkehrsmittel» auf (zwei GA, da der Aktenkoffer einen eigenen Platz brauche), sowie die Fahrtkosten mit einer «BMW 7- Limousine» für «Spritztouren zur Geliebten» und zusätzlich das Fahrrad für «Fahrten zur Ehefrau». Wir anerkennen, dass Ihr Mandant in einer komplexen Lebenssituation steht, möchten Sie aber bitten, nur eine der Fahrtvarianten anzugeben.
Die «Mehrkosten der auswärtigen Verpflegung» sind angemessen, sofern die Heimkehr am Mittag nicht zumutbar ist. Der Hinweis «die Kochkünste meiner Alten sind nicht zumutbar» erachten wir als nicht angemessen. Wir weisen wiederum darauf hin, dass unter «Mehrkosten für auswärtigen Wochenaufenthalt» die Wochenenden bei seiner Geliebten nicht abzugsfähig sind. Hingegen wollen wir grosszügig sein und unter «Umschulungskosten» die Quittungen für die Migros-Abendkurse seiner Geliebten als zureichend erachten.
Unter «Telefon» führen Sie an, die «Roaminggebühren müssten dem Staat in Abzug gebracht werden, da er sie ja selbst verursacht (Verursacherprinzip)». Wir sind zwar nicht völlig uneins mit Ihnen, können diesen Abzug dennoch nicht genehmigen.
Abschliessend möchten wir Sie doch bitten, Ihrem Mandanten mitzuteilen, dass das Steueramt für die Drohung, den Firmensitz ins Ausland zu verlegen, der falsche Adressat ist. Dafür wenden Sie sich bitte an die Economie suisse. Da er unter dem Strich am Ende ohnehin 0 Franken Steuern zahlt, weisen Sie ihn vielleicht auch noch darauf hin, dass, wenn er seine Millionen aus der Schweiz abzieht, er am Bancomaten unbedingt mit der Hand die Code-Eingabe abdecken sollte.
Hochachtungsvoll
Ihr Steuerkommissär