Samstagabend 19.00 Uhr

Hans Suter | veröffentlicht am 02.05.2013

Sie sitzen auf einer Bank bei der Busendstation. Einer nuckelt an einer Aludose mit Energy-Drink, dann spuckt er. Vielleicht ist das Getränk schlecht. Könnte ja sein.

Samstagabend 19.00 Uhr
Pfuschi (Heinz Pfister) | (Nebelspalter)

Die Dose ist nämlich nicht silbern, sondern grün gestreift, also ein Nachahmerprodukt. Er spuckt nochmals. Ein anderer steht auf, zündet sich eine Zigarette an, lässt den Finger auf dem Feuerzeug und gibt einem Kumpel gleich auch noch Feuer. Dann sagt einer: «Easy». Ein Zweiter sagt auch easy, «checkt» sein Smartphone und spuckt. Er deutet mit dem Finger auf den Touchscreen und fordert die anderen Jungs auf, auch darauf zu schauen. Alle schauen, grinsen und sagen «geil». Der mit der Energy-Dose schaut nicht länger. Er trinkt den letzten Rest. Dann versucht er die Dose auf den Abfalleimer zu stellen, was ihm nicht gelingt. Sie rutscht immer wieder auf der abgeschrägten Fläche ab und fällt zu Boden. Er hebt sie auf, versucht es noch einmal. Sie fällt wieder zu Boden. Der Junge spuckt nochmals. Ein anderer trippelt ein wenig und gibt dann der Dose einen heftigen Tritt. Sie fliegt in hohem Bogen in eine Blumenrabatte.

Dort steht eine junge Frau mit Handy und einem Schosshündchen. Das Tierchen versäubert sich gerade. Die Aludose streift das Hündchen. Es kriegt einen Schock und winselt. Die junge Frau hebt ihr lebendes «Accessoire» vom Boden auf und schreit: «Tierquäler». Die Jungs grinsen und machen anzügliche Bewegungen zur Frau hin. Zwei der Typen «checken» jetzt auch ihre Smartphones. Der eine muss immer wieder seine Hose vom unteren Ende des Pos zur Mitte desselben hochziehen. Jedesmal spuckt er. Weisse Haut und tarnfarbene Slip werden manchmal sichtbar.

Der Energy­ Trinker schreibt jetzt eine SMS. Flucht dann «Fuck». Der eine Raucher will gerade spucken, als das Tram einfährt, aus dem zwei Girls steigen. Die zwei Geschlechter begrüssen sich mit «Hallo». Die Mädchen sind adrett angezogen. Die Jungs nehmen eine etwas coolere Haltung ein. Nur noch einer spuckt. Aber das scheint die Girls nicht zu stören. Eines der Mädchen hat zwei dicke, konische Stahl-Piercings in der Oberlippe. Beim Küssen bestünde akute Verletzungsgefahr, geschweige denn beim ... aber lassen wir das. In der Hand hält sie ein Zweiliter Icetea-Tetra-Pack. Sie versucht es zu öffnen, reisst heftig an der einen Ecke. Der Energy-Trinker von vorher nimmt ihr die Packung aus der Hand und reisst die eine Ecke weg. Die Frau trinkt und gibt dann die Packung in die Runde.

Das zweite Girl steht etwas abseits und telefoniert mit ihrem iPhone. Sie schreit: «Du Arsch» und Ähnliches, dann weint sie. Das andere Mädchen geht zu ihr und versucht zu trösten und sagt: «Easy mann». Die Jungs spielen jetzt Fussball mit dem leeren Iceteabeutel. Eine Frau, die zum Tram will, macht einen grossen Bogen um den bespuckten Boden vor der Sitzbank und sagt hörbar «pfui Teufel». Darauf einer der Jungs: «Isch öppis?». Die zwei Mädchen stehen jetzt etwas abseits. Diejenige, welche «Arsch» gesagt hat, weint nicht mehr. Im «Trampoint», wo man Pizzas, Döner Kebab und Pommen frites an Stehpulten essen kann, läuft ein Fernseher.

GC gegen FCB. Streller hat eben ein Tor geschossen. Die Jungs schauen jetzt abwechselnd auf das Smartphone oder durch die Glastür zum Fernseher. Die Mädchen stehen immer noch in der gleichen Ecke und tuscheln. Ein GC-Spieler schiesst, der Ball geht ins Tor, der Torschütze stand aber leider «offside». Dann spucken die Fussballspieler. 

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