
Wie halten Sie es mit dem Glauben? Persönlich mache ich mir schon lange nichts mehr aus Übersinnlichem - und das mindestens seit drei Reinkarnationen. Umso verwunderlicher deshalb für mich, wie allgegenwärtig Glauben in unserer scheinbaren Wissensgesellschaft tatsächlich ist. Die...
Wie halten Sie es mit dem Glauben? Persönlich mache ich mir schon lange nichts mehr aus Übersinnlichem - und das mindestens seit drei Reinkarnationen. Umso verwunderlicher deshalb für mich, wie allgegenwärtig Glauben in unserer scheinbaren Wissensgesellschaft tatsächlich ist.
Die Diagnose ist schnell gestellt: Wir werden tagtäglich mit so vielen Informationen zugeschüttet, dass wir der ganzen Flut nur mit (allzu oft recht simplen) Denkschablonen und Glaubenssystemen überhaupt Herr werden. Dabei ist die Bibel nur noch für die wenigsten das Buch der Bücher. Ihr Wort zum Sonntag lesen säkulare Gläubige in der «WOZ», in der «Weltwoche» oder im Internet-Liveticker, wenn der Apple-CEO Tim Cook leibhaftig vor seinen Jüngern erscheint und die neusten Wundertaten präsentiert. Es ist bemerkenswert, wie sehr die modernen Glaubens-Generika doch den traditionellen Religionsgemeinschaften gleichen, denen sich so viele Menschen hier in Westeuropa entfremdet fühlen. Das Wir-Gefühl gibts im Fussballstadion oder am Open-Air, das moralische Auserwählt-Sein zelebriert man als Nichtraucher, Veganer oder Stammbaum-Schweizer - und die Endzeit-Gewissheit klopft ganz nach Belieben als Klimakollaps, Islamisierung oder genmutiertes Radieschen permanent an unsere Tür.
Das Neckische an der Sache ist: Die Wahl solcher moderner «Konfessionen» hängt meist von äusserst zufälligen Faktoren ab, wie schon früher die Geburt als Christ, Jude oder Moslem kaum ein Akt des freien Willens gewesen sein dürfte. Doch glauben macht eben selig. Nur dies vermag die Energie zu erklären, welche Menschen gegen Andersdenkende aufbringen können, nur um eigene Glaubenssätze nicht infrage stellen zu müssen. So, genug jetzt. Tim Cook spricht gleich im Live-Stream.