
Fernsehen ist ein emotionales Medium und zur objektiven Meinungsbildung nur schlecht geeignet. Hat jeder schon mal gehört, ist nichts Neues.
Lesen hätte mehr Potenzial, zumindest im Bereich jener Textgattungen, die nicht auf 140 bis 160 Zeichen beschränkt sind und das Textfeld nur das lustige Foto kommentiert, das man gerade jetzt unbedingt mit seinen «Freunden» teilen muss.
In zwei Wochen wählt unser nördliches Nachbarland eine neue Regierung. Um doch noch möglichst viele Bundesbürger zu erreichen, wurde das einzige direkte Duell von Kanzlerin Merkel und Gegenkandidat Steinbrück gleich auf einem halben Dutzend Fernsehkanälen übertragen. Die Sendung wurde von den meisten als derart langweilig empfunden, dass der Satz «Fernsehen ist ein emotionales Medium» nun aus sämtlichen Publizistik-Lehrbüchern gestrichen werden soll. Millionen Zuschauer suchten verzweifelt einen Farbtupfer im Grauen und fanden tröstende Ablenkung in der Halskette, die Angela Merkel in den Landesfarben trug. Noch ehe die Sendung zu Ende war, hatte die #Schlandkette ihren eigenen Twitter-Account, Tausende von Fans und setzte launige Sprüche ab wie «Also ich häng hier so rum ... und ihr?»
Wie kommt es, dass sich bald mehr Menschen für Merkels Halsschmuck interessieren als für die künftige Regierung? Dass der Wahlkampf allgemein so lau verläuft? Werden die Politikerphrasen immer abgedroschener, wird die Realität immer komplexer, werden die Bürger schlicht immer dümmer - oder gehts einfach noch immer allen zu gut? Fragen, die im Hinblick auf die Zukunft der Demokratie allgemein bedeutsam wären. Wenn jede Kette nur so gut ist wie ihr schwächstes Glied, sollte man dieses auch kennen. Wenn Sie eine Idee haben: Twittern Sie uns doch: @nebelspalter - aber maximal 140 Zeichen, bitte, gell!