Was, wenn eine andere Samenzelle gewonnen hätte?

Dietmar Füssel | veröffentlicht am 02.10.2013

Mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle ist das Wesen, das daraus werden soll, schon vorherbestimmt. Geht aber diese Vorherbestimmung nicht noch viel weiter zurück? Warum ist es zum Beispiel gerade diese Samenzelle und keine andere, die das grosse Rennen macht?

Oder gibt es auch hier Aussenseitersiege, weil sich der durchtrainierte Favorit überschätzt hat und unterwegs zusammenbricht? Gibt es am Start Positionskämpfe? Rempeleien? Geht dabei auch alles so fair zu, wie es der bedeutende Anlass erfordert, oder siegt letztlich die skrupelloseste Samenzelle, indem sie brutal anderen den Weg abschneidet? Gibt es Teambildungen wie beim American Football, so dass etwa die X-Zellen versuchen, die Y-Zellen abzublocken, damit ein Kollege einen entscheidenden Vorsprung gewinnen kann? Gibt es selbstlose Samenzellen, die sich mit dem Bewusstsein, gewonnen zu haben, zufrieden geben, und dann, vor dem Ziel stehend, einer anderen befreundeten den Vortritt lassen? Können die Verlierer Trauer empfinden, ahnen sie, dass sie dadurch dem Tod geweiht sind? Geradezu tragisch ist es, dass es allzu oft passiert, dass Samenzellen sich mühsam, unter Schweiss vorwärts arbeiten - und dann ist gar kein Ei da. Diese Situation ist durchaus der des alten Mannes aus «Der alte Mann und das Meer» vergleichbar, oder der eines Wissenschaftlers, der ein Leben lang an einer Gleichung arbeitet und zuletzt das Resultat Null gleich Null erzielt. Wer sich all dies vergegenwärtigt, wird wohl kaum noch behaupten, dass Sex lustig ist.

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