
Seit Jahr und Tag liest man uns, dem wohlstandsverwahrlosten Lifestyle- und Warmduscher-Gesindel, die Leviten:
«Seht Chinamann - nehmt euch an ihm ein leuchtendes Beispiel! Er zetert nicht, er lamentiert nicht, er macht montags nicht blau, er streikt nicht, er übernachtet unter seiner geliebten Maschine auf dem kuscheligen Betonfussboden. Seht Chinamann - kaum färbt sich der Osten im Morgenrot, schon fabriziert er emsig wie ein schlitzäugiges Bienchen unendlich viele dieser nützlichen Dinge, die uns dann unter unserem plastifizierten Weihnachtsbaum, made in China, grenzenlos erfreuen.» Beispielsweise farbenfrohe toxische Gummi-Enten für unseren entspannenden Badewannenaufenthalt, geringfügig giftige Zusatzstoffe in chinesischen Arzneimitteln zur zügigen Gewichtsreduktion.
Kürzlich wurde unter fadenscheinig vorgeschobener Sorge um die Gesundheit der Konsumentenschaft sogar behauptet, chinesische Autoteile enthielten polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die von den Ökos verdächtigt werden, sie könnten Krebs erzeugen.
Aus fachmännischer Sicht von Zhao Ping hingegen, Vizepräsident der Chinesischen Krebsstiftung, schlug diese bösartige Bemerkung, die lediglich als typischer Auswuchs westlichen Protektionismus und latenter europäischer ökonomischer Hegemonialbestrebungen einzustufen ist, allerdings dem Fass die Krone ans chinesische Gesäss, und er wiegelte so gekonnt wie auch überzeugend ab, indem er flugs bekannt geben liess, dass «man» («man» = Bi-Ba-Chinamann im Sinne dieses Artikels; Anm. d. Red.) in China an polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe im Alltag durchaus gewöhnt sei: «PAK und Krebs hängen nicht direkt miteinander zusammen, sondern die Chemikalie kann nur das Risiko erhöhen, an Krebs zu erkranken», erklärte er.
Das überzeugt und relativiert einiges. Nicht zuletzt spricht diese Aussage Bände über den Grad der Selbstbemitleidung und der Verweichlichung, den wir in Europa mittlerweile erreicht haben. Da haben wir zweifellos noch einiges vom Asiaten zu lernen: «Seht Chinamann - kaum färbt sich der Osten im Morgenrot, ...» (s.?o.).
Nehmen wir doch einmal als ein etwas anders gelagertes Beispiel das weinerliche Gesülze und die unerträgliche Jammerei der allmählich megapeinlichen Anti-AKW-Bewegung: «Oh, der Strahlentod; der nukleare Schnitter Tod, er lauert hinter den Kühltürmen von Fessenheim, in der Blüte unseres Lebens wird er uns hinwegraffen!» Na und?
Analog zum zähen, lebensbejahenden Chinesen, der nach glaubhafter Aussage von Zhao Ping, Vizepräsident der Chinesischen Krebsstiftung, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe so locker wegsteckt wie unsereiner Haribo-Goldbärchen, analog zu ihm hat der Japaner in Hiroshima - die Kernschmelzenanwohner in Fukushima sind sie noch nicht ganz so weit, dort fehlt es noch etwas an Erfahrung - über die Jahre knallharte Nehmerqualitäten entwickelt, von denen wir Weicheier nur träumen können.
Eine vom «Nebelspalter» im Zusammenhang mit diesem Artikel in Hiroshima und Nagasaki durchgeführte Strassenbefragung führte zu dem aufsehenerregenden Ergebnis, dass die dortige Bevölkerung der repräsentativen Meinung ist, dass «Atombombenabwürfe und Krebs/Todesfälle nicht direkt miteinander zusammenhängen», sondern «sporadisch auftretende thermonukleare Grossereignisse das Risiko, an Krebs/Todesfällen zu erkranken, lediglich leicht erhöhen». Und sollte sich jetzt gegen Ende dieses Artikels im Kopf der geschätzten Leserschaft die bange Frage zu formen beginnen, warum man denn wohl Bi-Ba-Chinamann - der, wie der Text behauptet, doch so vorbildlich resistent und überaus konkurrenzfähig sei - in den chinesischen Metropolen unter ihren anheimelnden Smogglocken mit Mundschutz umeinanderlaufen sehe, dann antwortet der Verfasser dieser Zeilen: «Das ist das erste Resultat der kürzlich in der Grossen Halle des Volkes beschlossenen Wirtschaftsreformen, deren heimliche Botschaft an Bi-Ba-Chinamann lautet: Spiele den scheinbar Verletzlichen, um im richtigen Moment desto härter zurückschlagen zu können!».
Aber der Chinese muss aufpassen, denn wir Westler werden nicht ewig damit beschäftigt sein, uns gegenseitig abzuhören oder des gegenseitigen Abhörens zu verdächtigen. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem wir unsere Ressourcen neu bündeln werden, um schliesslich den Chinesen mit seinen eigenen infamen Waffen zu schlagen.
Wurde unter Mao hinter der Chinesischen Mauer noch geraunt: «Setze dich geduldig an den Fluss und warte, bis die Leichen deiner Feinde vorbeitreiben», so kaufen wir Europäer Bi-Ba-Chinamann den Schneid ab, indem wir uns zuflüstern: «Setze dich vor die Chinesische Mauer und warte, bis die hustenden und prustenden Chinesen ihre Nebelgebiete verlassen und zu uns herübergewankt kommen!»
Dort werden sie dann von den Leuten unseres eigenen Pharma-Aussendienstes in Empfang genommen, der ihnen billige, stärkehaltige Placebos - made in India - als überteuerte Lungenkrebs-Medikamente andrehen wird.
Und spätestens dann, wenn wir den Spiess umdrehen, wird Bi-Ba-Chinamann die Lust daran vergehen, uns auf der Nase herumzutanzen.