
Was sich anhört wie eine Ente ist doch wahr: Hollywood-Bösewicht Tim Roth spielt FIFA-Bösewicht Sepp Blatter. Wir werden uns noch ein Jahr gedulden müssen, bis der Film in die Kinos kommt. Doch der «Nebelspalter», Fachblatt der Zukunftsgläubigen, hat schon heute die Filmkritik von morgen. Schliesslich lassen sich nicht nur Fussballspiele manipulieren, sondern auch Rezensionen.
Nun ist das bestgehütete Geheimnis der Filmwelt gelüftet: Gestern wurde der Presse «Blatter - The Movie» vorgeführt, unter diesem Arbeitstitel war die Verfilmung von Sepp Blatters Leben bisher bekannt; in die Lichtspieltheater wird er unter dem Namen «Sepp Blatter - The Life and Times of a Genius» kommen. Der Film ist, dazu braucht man den Abspann nicht zu lesen, von der FIFA finanziert. Gerät der Film nun zum Publikumserfolg, braucht die FIFA als Verein den Einspielgewinn nicht zu versteuern. Über die Summe, die der Streifen gekostet hat, schweigt man sich aus, doch dürften allein die Kosten für die Spezialeffekte, mit denen bestimmte Momente geschönt werden mussten, in die Millionen gehen. Die FIFA tritt mit dem Filmwerk den Beweis an, dass zwischen ihr und einem grossen Hollywood-Studio, in dem ein Mogul in palastähnlicher Umgebung wohnt, keinerlei Unterschied besteht. Es wurden weder Kosten noch Mühen gespart. Als Drehort für Blatters Heimat, das Wallis, war die amerikanische Mojave-Wüste ausgewählt worden. Davon liess man sich auch später nicht abbringen, als nachgewiesen werden konnte, dass man dort die Walliser Berge erst nachbilden und klimatisieren müsste. Superstar Tim Roth dürfte nicht billig gewesen sein. Blatter allerdings auch nicht. Gemäss Forbes-Liste ist er in Topf 1 der mächtigsten Menschen dieser Erde. Und Blatter selbst gilt seit diesem Film nun sogar noch als «Topf Gun».
Erwogen wurde auch Gerard Depardieu, der allerdings absagte, weil er seine Reputation mit dieser Rolle nicht beschädigen wollte. War bei Bekanntgabe des Castings noch schwer vorstellbar, wie Tim Roth die Titelrolle ausfüllen sollte, so belehrt nun das fertige Produkt Zweifler eines Besseren: Nur Roth, bekannt geworden als Brutalo-Gangster in Filmen wie «Reservoir Dogs» hat das Rüstzeug, um Blatter Leben einzuhauchen. Fast scheint es, als wären die schwierigen Szenen, die der Akteur im Laufe seiner Karriere schon meisterte, wie etwa seine keuchende Vergewaltigung von Jessica Lange in «Rob Roy», nur Vorbereitung gewesen auf einen schauspielerischen Kraftakt wie die Vergewaltigung einer WM-Auslosung. Die Szene in «Pulp Fiction», die dem Schauspieler weltweite Beachtung brachte, in der er unter Anwendung von Kraftausdrücken und roher Gewalt ein Restaurant ausraubt, scheint im Vergleich zum Blatter-Film wie eine kleine Fingerübung. Selbst seine Rolle im «Planet der Affen», in dem er überzeugend den Anführer einer Affen-Armee gab, muss verblassen vor den Anforderungen seiner Blatter-Rolle, in der er den Anführer einer noch viel grösseren Affen-Armee gibt. Tim Roth ist bekanntlich ein Method Actor, der eins wird mit seiner Rolle. So soll er sich während der Dreharbeiten auch dann wie Gott aufgeführt haben, als die Kamera gar nicht lief.
Aber von Anfang an. Mit einer weit ausholenden, epischen Bewegung lässt der Regisseur (wer letztlich verantwortlich zeichnet, ist nicht ganz klar, wurde er doch so oft ausgewechselt wie ein Fussballtrainer) den Film bei der Geburt Blatters beginnen. Der logische Beginn eines Films über Blatter fängt bei der Genesis an, und es grenzt schon an Genialität, die echte Stimme Blatters die einführenden Worte sprechen zu lassen, «Am Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde» - und vor unseren Augen erscheint ein Fussballfeld. Freilich wartete man dann gespannt auf Episoden, die Bestechungsskandale aufgezeigt hätten. Blatter hat die Handlung aber so strukturieren lassen, dass dieser Zeitabschnitt ausgespart wird, weil genau dort die Pause in der Vorführung angelegt ist. Entschädigt wurde man von amüsanten Episoden wie jener, als Polizisten Blatters Nummernschilder abmontierten. In typischer Hollwooy-Manier wird der einfache Selbstunfall zur rasenden Verfolgungsjagd mit Fussballgegnern, aber so viel künstlerische Freiheit muss man den Filmemachern wohl attestieren. Auch noch Unbekanntes aus dem bewegten Leben wird hier erstmals dokumentiert. So wird suggeriert, dass auch Blatter von der NSA abgehört wurde. Auf seinem Telefonanschluss sind dabei immer die neuesten Fussballresultate zu hören - manchmal sogar noch vor dem Match. Ein Film, der spannend bleibt bis zum Abspann, über dem sinnigerweise Sinatras «I did it my way» zu hören ist.
Tim Roth, der entweder auf den Oscar oder den WM-Pokal aspirierte, dürfte weiteren Weihen entgegenblicken. Wie aus dem Umfeld Blatters zu vernehmen ist, bereitet er sich bereits auf den Auftritt an der Oscar-Verleihung vor. Niemand aus seiner Entourage hat bisher gewagt, ihn darauf hinzuweisen, dass die Statuette nicht ihm, sondern Tim Roth zustehen würde. Zudem meint Blatter, das Filmbusiness sei gar nicht so anders als das Fussballgeschäft, seit er gesehen hat, wie an der Oscar-Verleihung den Sprechern, bevor sie die Bühne betreten, Couverts mit geheimem Inhalt zugesteckt werden.
Ab heute in ausnahmslos allen Kinos und an Public Viewings. Die Veranstalter weisen nochmals darauf hin, dass in Extrazügen angereist werden muss und das Abbrennen von Pyros während der Vorstellung verboten ist.