
65 v. Chr Als der römische Dichter Horaz sich über die Gesellschaft beklagt, sieht er den Zustand von heute voraus: «Die kleinen Barbaren haben keinerlei Respekt, wenn ich in meiner Sänfte vorbeigetragen werde! Man sollte sie den Löwen vorwerfen!» br...
65 v. Chr Als der römische Dichter Horaz sich über die Gesellschaft beklagt, sieht er den Zustand von heute voraus: «Die kleinen Barbaren haben keinerlei Respekt, wenn ich in meiner Sänfte vorbeigetragen werde! Man sollte sie den Löwen vorwerfen!»
30 n. Chr. In Galiläa legt ein Zimmermann seinen zwölf Lehrlingen gegenüber die Benimmregeln im Betrieb fest: «Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu!» Diese Weisung gilt nicht nur als die Geburtsstunde einer Weltreligion, sondern als Anfang guter Umgangsformen in Handwerksbetrieben.
1000 Adlige Ritter umwerben jungfräuliche Burgfräuleins mit zahlreichen Höflichkeitsregeln. Es gilt als manierlich, einem Ritter ein Tüchlein als Pfand zu geben, bevor er im Turnier zu Ehren seiner Dame dem Nebenbuhler den Kopf einschlägt.
1492 Die Entdecker Amerikas übernehmen von den Eingeborenen schnell das Duzen. Unter Indianern gilt als «spiessig», jemanden zu siezen, weil es auch bescheuert klingt: «Sie, Herr Häuptling», weshalb die Siez-Form auf dem amerikanischen Kontinent gar nie eingeführt wurde und noch heute selbst der Präsident mit «you» angesprochen werden darf.
1500 «Das Buch vom Hofmann» von Graf Baldassare Castiglione gilt als Standardwerk für Umgangsformen in ganz Europa. Ausserdem erfindet der Graf das Ablecken des Fingers zum besseren Umblättern.
1530 Erasmus von Rotterdam bemerkt in seinem Werk 'Über die Verfeinerung der kindlichen Sitten': «Es ist unhöflich, den zu grüssen, der uriniert oder seinen Magen entleert.» Was dazu führt, dass man noch heute in Herrentoiletten kein Wort verliert und sich lediglich anerkennend zugrunzt.
1619 Richard Weste schreibt im 'Buch des Benehmens': «Lass nicht Deine Geschlechtsteile so offen liegen, dass man sie sieht, es ist höchst beschämend und ungehobelt.» Sein Buch wird vor allem darum ein Verkaufsschlager, weil die Menschen es benutzen, um ihre Schamstellen zu bedecken. (Appenzeller Nacktwanderer haben diese Seite herausgerissen und für was anderes benutzt).
1700 Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XVI. lässt an seinem Hof Schilder (Etiketten) mit Benimmregeln für seine Höflinge aufstellen.
1788 Ausgerechnet ein Freiherr macht uns alle zu Sklaven von Verhaltensformen: der Freiherr Adolph von Knigge. Für Freigeister ist er schlicht der Antichrist. Mit 'Über den Umgang mit Menschen' schreibt er einen Bestseller, obwohl eigentlich alle sein Buch hassen, was erst Jahrhunderte später Roger Schawinski wieder gelingt.
1789 Während der Französischen Revolution fügen die Franzosen ihren Benimmregeln eine weitere zu, indem sie Frauen den Vortritt auf die Guillotine lassen. Und die Engländer führen zur gleichen Zeit «Ladies First» nur ein, weil sie auf der falschen Strassenseite fahren und es ungefährlicher ist, Frauen den Vortritt zu lassen.
1836 Europa führt den Anstands-Wauwau ein: Wenn ein Freier seiner Dame nach allen Regeln der Kunst den Hof macht, soll eine Anstandsdame zugegen sein. Dabei wird der flotte Dreier erfunden.
1900 Bis ins späte 19. Jahrhundert ist in Deutschland das öffentliche Ausspucken gang und gäbe. Als das Ausspucken von heute auf morgen gesellschaftlich geächtet wird, verlieren Aktionäre, die in Spucknäpfe investieren, ihr ganzes Geld.
1910 Gandhi ist der erste Politiker, der sich nicht protokollgemäss kleidet und die Krawatte auch bei hohen Besuchen verweigert, um stattdessen in einer Art Windel zu erscheinen.
1913 Kaiser Wilhelm II. verbietet den Offizieren, in Uniform den anstössigen Tango zu tanzen. So entstehen im Untergrund Offiziersclubs, in denen nackt Tango getanzt wird. Die Homosexualität wird entdeckt.
1924Verlag diesen Titel nicht freigibt, nennt er es 'Mein Kampf'.
1928 Die erste Wegwerfbinde kommt auf den Markt. Da es sich nicht geziemt, die se wörtlich im Laden zu verlangen, sind die Frauen genötigt, vor der Ladentheke pantomimisch ihren Kaufwunsch vorzuspielen.
1930 An der Frage, ob man Brot brechen darf oder es mit dem Messer schneiden muss, entzündet sich eine weltweite Debatte von führenden Umgangsformen-Kennern. Da Brot während der grossen Wirtschaftskrise mit Sägemehl aufgewertet wird, wird es nicht mehr geschnitten, um die Klinge zu schonen.
1935 Die Engländer erfinden das Abspreizen des kleinen Fingers beim Teetrinken wegen eines Herstellungsfehlers der Tassen: Die Henkel wurden zu klein gemacht.
1950 Die Begrüssungsformel «Guten Tag, Sie Arschloch» wird immer öfter in verkürzten Form «Guten Tag» angewendet, manchmal heisst es sogar nur noch «Tag». Kritische Stimmen monieren, die ständigen Abkürzungen würden für eine Verrohung der Sprache sorgen. Gute Umgangsformen gelten als Schlüssel zu beruflichem Erfolg. Wer sich mit Höflichkeiten hochschleimt, kann anschliessend seine Untergebenen wieder so rüde ansprechen, wie es ihm passt.
1968 Die Flower-Power-Bewegung erklärt alle bürgerlichen Umgangsformen und insbesondere den BH als nichtig.
2014 Wir erleben die Renaissance der guten Umgangsformen. Führende Erzieher verlangen, dass Jugendliche um jeden Preis gut erzogen werden müssen, selbst wenn uns das monatlich 29?000 Franken für ein Sondersetting kostet.