
Die Lage der Schrebergartensiedlung ist herrlich, weit draussen vor der Stadt, am Waldrand zwischen Agglomerationsbauten und direktem S-Bahnanschluss in die nächstgrössere Stadt.
Dort treffen sie sich, all die Werber, Lokalschriftsteller, Kunstbetrachter, Designstudenten, und so weiterundso fort - kurz, die ganze Elite der hiesigen Sozialdemokratie - um abzuschalten und sich an ihrer eigenen Welt fern von Fremdenhass und Europakritik zu laben.
Sie kommen allesamt mit dem Zug, tragen die neuste Fair-Trade-Kollektion ihres bevorzugten Outdoor-Labels und haben die etwas angedreckten Gartenhandschuhe im Jutesack dabei. Die paar Meter vom Zug zum Garten werden mit den ausrangierten Velos von der letzten Velobörse zurückgelegt, die sie stil- und massvoll für 1250 Franken vom trendy Fahrradmechaniker, der auch in ihrem Bienenzuchtverein ist, auf Vordermann bringen liessen.
Man kennt sich beim Vornamen, spricht über Lohnexzesse, die neuste Ausgabe von «Mein schöner Garten», den Völkermord in Ruanda, die perfekte Pflanzzeit für Radieschen, das Elend in den Favelas Brasiliens. Das Übliche eben.
Man tauscht Gartengeräte, nette Gesten, nichtssagende Floskeln und die kultigen Paninibildchen zur WM aus. Mann trägt mehrheitlich Bart, Frau mehrheitlich nicht.
Die Kinder seien gerade in Afrika, sagt einer der, trotz sommerlicher Temperaturen, Schalträger, sie wollen das Elend mit eigenen Augen sehen, sie wollen helfen. Deshalb bezahle er ihnen auch die Mitgliedschaft bei WWF und Terre des hommes, sie können es sich ja nicht leisten, die armen Kleinen, sie sollen sich nun zuerst auf ihr Soziologiestudium konzentrieren. Zuerst aber die dreimonatige Reise. Zuerst Afrika, dann Indien, dann vielleicht noch in die USA. Und alles CO2-kompensiert natürlich, ja auch die Mietwagentour durch die USA.
Man müsse der Jugend von heute halt schon auch vor Augen führen, wie die reale Welt aussieht, man dürfe sie nicht verhätscheln, sagt der andere Schalträger und ergänzt, dass man halt auch ein Vorbild für die Jungen von heute sein muss.
Sie nicken beide zufrieden, ob dem eigenen Gutmenschentum, setzen sich auf die Brocki-Stühle und checken ihre Mails. Man habe so schlechten Empfang hier draussen, moniert der eine und trinkt einen Schluck Thai-Latte, den seine Frau ihm gerade gebracht hat.
Die beiden Frauen stehen derweilen neben der Spüle im kleinen Gartenhäuschen und waschen den Salat. Sie habe von einer neuen Yoga-Methode gehört, die garantiert auch die letzten Stress- und Fettpölsterchen von letzter Weihnacht wegzaubern soll. Sie lacht, trocknet die Hände und erzählt, dass ihr Mann die Marke mit diesen neuen Schokogeschmacksrichtungen entstaubt habe. Es gehe dabei weniger ums Produkt, sondern vielmehr um den Lifestyle, den man mitkauft, wiederholt sie ein Bonmot ihres Gatten. Die andere nickt wohlwollend, zeigt ihre frisch gebleachten Zähne und antwortet, dass sie mit ihrer Mittwochsgruppe eine neue Installation mit Geräuschen von raschelnden weissen Plastiksäckchen mache, um den Leuten zu zeigen, dass diese Säckchen den Untergang der westlichen Zivilisation darstellen. Auf die Idee gekommen sei sie, als mitten auf der Strasse eines dieser Säckchen der Frau vor ihr zerriss und all die schönen Biogurken auf dem Boden landeten. Zum Glück seien die Gurken noch in Folie eingeschweisst gewesen, sonst wären sie bei so einem Aufprall natürlich hin.
Die Sonne geht derweilen unter und etwas später, als man sich am Biowein aus Kalifornien genüsslich in einen selbstzufriedenen Rausch getrunken hat, nimmt man Abschied, grunzt zum neuen Gartennachbarn hinüber, dessen Kinder die nette Runde bereits den ganzen Abend genervt haben, schliesst hinter sich das Gartentürchen und verschwindet mit einem abschätzigen Lächeln für die Frau in Arbeiterkleidung mit den geschwollenen Händen, die dabei ist, den alten Lattenzaun der Vorgänger einzureissen. «Ach, jeder Trend zieht plötzlich Leute an, die Trend nicht einmal buchstabieren können», gackert die eine, derweil ein anderer in seinem Gartenhäuschen Kartoffeln schält und die zwei Kinder mit Geschichten aus seiner Jugend unterhält.