Bem Vindo ao Brasil!

Thomas C. Breuer | veröffentlicht am 05.06.2014

Nach stets verstörenden Meldungen aus Ka­tar und dem Rummel um Uli Hoeness gibt es endlich wieder gute Nachrichten aus der bunten Welt des Fussballs.

Bem Vindo ao Brasil!
Philipp Ammon | (Nebelspalter)

So hat Sepp Blatter, der gerade vor einem Münchner Gericht eine Ehrenerklärung für Bernie Ecclestone abgegeben hat, angekündigt, sich in Deutschland ganz in der Nähe des Frankfurter Flughafens niederzulassen, um mobiler zu sein. Er soll bereits die demnächst frei werdende Residenz des Bischofs Tebartz van Elst besichtigt haben.

Auch das Gastgeberland Brasilien ist unablässig in den Medien, ob wegen Fussballweltmeisterschaft, Olympischen Spielen, Gefängnisrevolten oder Grossrazzien. Von Brasilien kennt der Mitteleuro­päer vorwiegend den Samba. Der Sambavirus wurde um 1973 unabsichtlich von ein paar Missionaren um Dom Helder Cara eingeschleppt, die damals die katholischen Hochschulgemeinden mit ihren Vorträgen heimsuchten. Schon acht Jahre später landete Tony Holiday seinen Superhit: Tanze Samba mit mir, die Älteren werden sich erinnern. Hier ein Textauszug:

«Aaha, Aaha
Du bist so heiss wie ein Vulkan.
Aaha, Aaha
Und heut verbrenn ich mich daran.»

Über Jahrhunderte hinweg stand dem internationalen Fussballverband ein Brasilianer namens João Havelange vor, der in Sachen Korruption so hohe Massstäbe gesetzt hat, dass selbst Sepp Blatter seine liebe Mühe hat, dieses Level zu erreichen. Hauptexportartikel Brasiliens sind nach wie vor Fussballspieler, die gefeiert werden für ihre Leichtigkeit, ihre Dribbelkünste, ihren Widerstandsgeist. Herrlich sieht das aus, auch beim demonstrieren, dieses Hüftwackeln. Sie zappeln ständig herum, so dass wir uns mal wieder typisch altweltlerisch fühlen müssen, steif und unbeholfen. Ob unbeabsichtigt oder nicht: Sie bedienen damit unsere Minderwertigkeitskomplexe, mit einer gewissen Bitterkeit müssen wir an die hüftsteifen Reithalle-Demonstrationen denken oder - seien wir ehrlich - total freudlosen Menschenketten früherer Jahre.

In Brasilien sind die Unruhen feurig, die Demonstranten so rassig, tudo bem, wobei die meisten Menschen ja arm sind, ganz arg arm, so arm, dass sich Politiker oder Fussballer oft nur einen Namen leisten können, Pele, Neymar oder Müller. Und trotzdem sind sie glücklich. So sagt man jedenfalls immer: Arm, aber glücklich. Viel glücklicher als wir. Also echt jetzt! Der deutsche Ex-Profi Andy Brehme befand in seiner Zeit als Fernsehkommentator: «Die Brasilianer sind ja alle technisch serviert!» Nur bei den Baustellen der Sportanlagen erreicht man bislang maximal Berliner Grossflughafenniveau. So soll die Fertigstellung des Stadions in São Paulo direkt ins Eröffnungsspiel integriert werden.

Die Fussballbegeisterung ist extrem und schwankt zwischen Götzenkult und Lynchjustiz. Nur ganz wenige Spieler sind im Land geblieben, eigentlich nur Cacão, Kaba und Ovo, die bei Rios Tra­ditionsclub Flatulense an der Cocacola­cabana spielen und als «Trio de Janeiro» gefürchtet sind. Das Gros aber kickt in der deutschen Bundes­­liga unter dem Spitznamen Breisgau-Brasilianer. Zwischen Bra­silien und Deutschland gibt es ohnehin alte Bande: Deutsche haben sie kurz nach dem Krieg mit dem Käfer beglückt und durften gleichzeitig einige NS-Grös­sen in entlegenen Amazonasregionen entsorgen.

Die Brasilianer haben den Samba im Blut, und das neiden wir ihnen, nicht zuletzt, weil wir ahnungslosen Mitteleuropäer gern alles in einen Topf werfen: Mambo, Rambo, Ramba Zamba, Lumumba, Lambada, Lambrusco, Casanova, Cottonova, Bossanova.

Falls Sie nun wegen der allfälligen Gewalt Angst vor einer Reise nach Brasilien haben sollten, so möchten wir Sie ermutigen mit einem Wort des amtierenden brasilianischen Sportministers Aldo Rebelo, der dieser Tage die englische Fussballauswahl dergestalt zu beruhigen versucht hat: «Ich glaube nicht, dass die Engländer auf grössere Risiken treffen werden als im Irak oder in Afghanistan, wo sie zuletzt Hunderte junge Soldaten verloren haben. Es gibt sogar einen englischen Friedhof in Recife. Ich denke nicht, dass sich dessen Bevölkerung während der WM erhöht.»

Zum Schluss noch ein Zitat des gros­sen Pierre Littbarski: «Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken mit Ende!»

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