Weinland Elsass

Thomas C. Breuer | veröffentlicht am 01.08.2014

Im Elsass geht es primär ums Essen. In der Regel sind die Teller derart überladen, dass man das Sauerkraut nur mittels GPS unter dem Schweinefleisch findet.

Weinland Elsass
(Nebelspalter)

«Wie fanden Sie das Choucroute?» - «Unter alter Sau!» Von der Küche schwärmen alle lauthals, dabei sind die Grenzen zwischen Gastfreundschaft und Nötigung häufig fliessend. «Da brat mir einer einen Storch» - nirgends in Frankreich geht das leichter als dort.
Während der letzten fünfzig Jahre hat man das Elsass konsequent verpuppt, verpuppenstübelt, verziert, vererkert, verfachwerkelt, aufgehübscht, in Grund und Boden verniedlicht, vollgehäkelt, niedergeklöppelt, zugetöpfert, mit Gastronomie und astronomischen Preisen bestückt, und siehe: Die Menschen kommen in Scharen, auch wenn das Elsass zu einer grotesken Disneyversion seiner selbst verkümmert und dabei unerschwinglich geworden ist. Oder weil? Und seit die neue EU-Verordnung greift, wonach Original Elsässer Flammkuchen® auch original in Original-Baden oder in der Original-Kurpfalz gefertigt werden dürfen, und das Original Elsässer Bier längst Heineken oder Carlsberg gehört (ausser Meteor), ist es eigentlich egal, auf welcher Seite des Original-Rheins man die Original-Region geniesst. Dem wahren Gourmet aber ist das Elsass seither gehupft wie gegugelt.
Dabei wäre gerade jetzt im Sommer ein kühler Riesling erfrischend und doch belebend, aber natürlich waren die letzten Jahrzehnte der Qualität des Weines nicht eben zuträglich, auf dem Elsässer Rieslingsstrich wird eher Durchschnittsware konsumiert und selbst der Gewürzschlawiner erreicht nicht mehr das Niveau früherer Jahre, vielleicht, weil man sich innovativen Ideen beim Anbau eher verweigert hat: So ist der erste Rebschnitt in der Regel traditionell immer noch ein Façonschnitt. Da mutet das Angebot der elsässischen Regionalbahn TER mit dem neuen Rebenzug, in dem die Weinfreunde ab dem Bahnhof Schwiemelsbronnwilerbrouck im Schneckentempo verköstigt werden, geradezu als revolutionäre Idee an. Die Sitzbänke sind allerdings wahre Edelzwicker.
Nicht wenige Elsässer versuchen tapfer, die fatale kommerzielle Entwicklung aufzuhalten und betrinken sich ausgiebig mit Brun-de-Brun - anders ist es wohl nicht zu erklären, dass Madame Le Pen, die Chefin des rechtslästigen Affront National, im Elsass Wahlergebnisse einfährt, die einer Marineverehrung gleichkommen. Auch das ist nicht schön.

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