Auch die Schweiz macht die Schotten dicht

Roland Schäfli | veröffentlicht am 07.10.2014

Wie die Helvetische Republik in ihre Bestandteile zerfiel - eine historische Analyse.

Auch die Schweiz macht die Schotten dicht
Gabriel Giger | (Nebelspalter)

Die Schotten haben am Ende gekniffen. Doch da war es schon zu spät. Der Funke des Unabhängigkeitsgedankens erfasste Europa, bis er schliesslich - wie alle Trends aus dem Ausland - ganz zuletzt auch die Schweiz erreichte, das Pulverfass Europas. In der Folge zerfiel die Föderation in ihre ursprünglichen Teile wie ein schlecht geklebtes Kinder-Puzzle.

«Werft das Joch der Unterdrücker ab!», skandierten Separatisten auf dem Bundesplatz, ermutigt durch das Vorbild Schottlands. Denn die Schweiz, wie wir sie kennen - das wird ja an den Tafeln der Mächtigen gern verschwiegen und von linksgerichteten Lehrern an den Schultafeln auch nicht geschrieben - ist ein Gebilde, das gegen seinen Willen zusammengefügt worden war, also etwa so wie Cola und Sinalco, auch wenn das den Einwohnern nicht schmeckte.

Bis in die Neuzeit litten die Schweizer unter der fixen Idee des französischen Eroberers Napoleon Bonaparte, der 1798 das Gebiet der Alten Eidgenossenschaft zentralistisch zu einer «Helvetischen Republik» zusammenfasste. Unsere bis dahin unabhängigen Teilstaaten wurden zu Verwaltungseinheiten degradiert, neu aufgeteilt oder einfach irgendwie neu abgemischt wie die Techno-Version eines guten Oldies. Unseren Vorvätern war das Zusammenleben aufgezwungen worden, etwa so wie Asylbewerbern in einer unterirdischen Zivilschutzanlage.

Es begann alles im Jura

Es brauchte das Aufbegehren der Schotten gegen ihre Unterwerfung durch England, um die Schweizer in Stimmung zu bringen für die Revolution, die seit Jahrhunderten gärt. Und was lange gärt, wird bekanntlich endlich gut. Die Isolationisten der ersten Stunde waren die Jurassier. Der Jura, das Nordirland der Schweiz, 1978 vom Kanton Bern getrennt wie ein siamesischer Zwilling, dem man plötzlich den Bruder operativ entfernt, war 165 Jahre mit Bern verwachsen gewesen. Viele Bürgerrechtler hatten in ihren Kommoden noch immer die verbotene Berner Flagge versteckt und hörten nachts heimlich Radio Energy Bern.

Wer Jura studiert hatte, wusste, der Freiheitsgedanke würde weitere Gebiete erfassen. Tatsächlich fielen bald andere Kantone wie ein Dominostein-Weltrekord. Als Nächste sagten sich die Urner von der Föderation los. Ihre verzweifelten Hilferufe waren jahrelang im Lärm der Staus untergegangen. Da Uri praktisch allein die 150 Mann für die Papst-Garde stellt, besass es nun als einziger Kanton ein stehendes Heer. Uri finanziert seinen Staatshaushalt heute allein mit dem lukrativen Wegzoll durch den Gotthard, der von den mit Hellebarden bewaffneten 150 Gardisten in ihren bunten Pluderhosen eingefordert wird.

Urschweiz vs. Uhrschweiz

Biel führte ein kurzes Gefecht gegen die Ur-Kantone, indem es für sich in Anspruch nahm, der wahre Uhr-Kanton zu sein, weil schliesslich bei ihnen die Chronografen zusammengebastelt würden. Die Ur-Industrie erfuhr durch die Abschaffung des Brands «Swiss Watch» einen irreparablen Image- Schaden. Die neue Bezeichnung «The Bieler Watch Formerly Known as Swiss Watch» liess sich nicht ohne Weiteres etablieren und war auch zu lang für Werbeplakate.

Nun schlug die Stunde des Kantönli-Geists auch im Rest der Ex-Schweiz. Steckte in jedem Innerschweizer ein Schotte, der die Unabhängigkeit will, so steckte in jedem Zürcher ein Zürcher, der einen Schottenrock tragen will. Die Stadt Zürich, die sich seit jeher als Mode-Hauptstadt verstand und den Rest-Kanton als Agglo verschrie, rief sich als eigenen Kanton innerhalb des Kantons aus. Indem sämtliche Zufahrten problemlos durch Staus blockiert wurden, schotteten die Zürcher sich erfolgreich ab. In der Zürcher Agglo kam es daraufhin zu extremen Beispielen der Autonomie, als etwa Schlieren innerhalb der Schweiz ein offizieller Satellitenstaat des Kosovo sein wollte.

Als weitere Kantone sich von der Eidgenossenschaft so schnell ablösten wie ein Kaugummi-Tattoo unter der Dusche, forderte Schwyz schliesslich seine Fahne zurück, die man der Schweiz nur leihweise zur Verfügung gestellt habe. Per Beschluss des Bezirksgerichts Schwyz, von den Schwyzern als ihr eigenes Bundesgericht installiert, wurde der Schweiz die Benutzung des Schweizerkreuzes (weisses Kreuz auf rotem Grund) aberkannt. Als Provisorium, das bald ein Definitivum wurde, hissten Berns Nationalisten über dem Bundeshaus die neue Flagge (weisses Kreuz auf weissem Grund).

Dann kam die Röstimauer

Aufgrund der Abschaffung des Frühfranzösisch kam für die Deutschschweiz die Absplitterung der französischen Schweiz überraschend, obwohl die Welschen mehrmals über ihre Pläne orientiert hatten. Das kommunistische Welschland zog auf dem Röstigraben eine Mauer in einer Geschwindigkeit hoch, die man den Welschen gar nicht zugetraut hätte.

Darauf träumte die Deutschschweiz von der alten Grösse eines Germania superior und fiel zurück in die Römerzeit. Einfach dieses Mal ohne die Italiener. Die St.Galler, die Highlander der Schweiz, hatten den Satz «Die da oben machen doch, was sie wollen» stets nur schwer über die Lippen gebracht. Weil Bern von ihnen aus gesehen nicht oben liegt, sondern weiter unten. Sie schafften den Franken ab und führten den Tauschhandel mit Bratwürsten wieder ein, hielten dabei allerdings die Euro-Obergrenze aufrecht.

Heim ins Reich

Die früheren Kantone Säntis, Linth, Waldstätte, Oberland, Baden, Lugano und Bellinzona beriefen sich auf ihre frühere Eigenständigkeit. Doch kaum ein Kanton hatte mehr Mühe, seine neue Identität zu finden als die zwei Basler Halbkantone im Dreiländereck. Schon immer war Basel eigentlich nur als trinationale Agglomeration von Deutschland und Frankreich wahrgenommen worden, und so umwarben beide Nationen Basel mit dem Übertritt. Schliesslich ging Basel aus freien Stücken «heim ins Reich», wo es ursprünglich hergekommen war.

Es war für niemanden eine Überraschung, als das Tessin die Grenzbäume schloss. Ihre Parole «Stronzo Svizzera» war gefürchtet vor allem bei den Deutschschweizern, deren Ferienhäuschen und Rustici brutal enteignet wurden. Für Erstaunen sorgte allerdings, dass der südliche Kanton, seit jeher ein Vasallenstaat Italiens, sich mit den Thurgauern zusammenschloss, den Katalanen der Schweiz. Die Regierung der Mafia schaffte in den Schulen Mostindiens Deutsch als Hauptsprache ab und führte Früh-Katalanisch ein.

Der Prozess der kantonalen Unabhängigkeitsbestrebungen ist nicht abgeschlossen, die Auseinandersetzung zwischen Nationalisten und Unionisten, vertreten durch die Unia, dauern weiter an. Dass es zu kämpferischen Auseinandersetzungen kommen kann, ist aus heutiger Sicht nicht auszuschliessen, da die Solothurner als souveräner Staat das Recht einer Präventivwaffe beanspruchen und im AKW Gösgen an der Atombombe bauen.

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