
Herr Karigl sitzt auf seinem Wohnzimmersofa und sieht fern. Sein Handy läutet. Karigl stellt den Fernseher auf stumm und hebt ab ...
Karigl: Karigl. Hallo?
Handy: Guten Tag, Herr Karigl. Ich bin es. Ihr Handy.
Karigl: Wie bitte? Wer?
Handy: Ihr Handy. Verstehen Sie mich etwa schlecht? Soll ich den Ton etwas lauter schalten? Das ist überhaupt kein Problem.
Karigl: Nein danke, nicht nötig. Ich verstehe bloss nicht ganz, was Sie von mir wollen. Ich bin mit meinem derzeitigen Tarif sehr zufrieden, wenn es darum geht...
Handy: Sie verwechseln mich offenbar mit Ihrem Mobilfunkbetreiber, aber damit habe ich nichts zu tun. Ich bin Ihr Handy selbst. Sagen Sie, Herr Karigl, haben Sie etwa die Gebrauchsanweisung nicht gelesen?
Karigl: Offen gestanden nur flüchtig. Wieso?
Handy: Weil zur revolutionären Technologie der neuen Sanekia-Smartphones unter anderem auch eine Auto-Sprachfunktion gehört. Es geht mich natürlich nichts an, aber darf ich trotzdem fragen, warum Sie sich für ein Smartphone aus dem obersten Preissegment entschieden haben, wenn Sie seine zahlreichen neuen Funktionen dann gar nicht nutzen?
Karigl: Offen gestanden nur wegen der Bildqualität der Fotos. Ich fotografiere sehr gerne, wissen Sie, und deshalb wollte ich unbedingt ein Handy haben, bei dem die Fotos wirklich gute Qualität haben.
Handy: Ich verstehe. Das ist natürlich ein Argument. Und nachdem Sie die Gebrauchsanweisung
nicht oder nur flüchtig gelesen haben, werden Sie jetzt wissen wollen, warum ich mich überhaupt bei Ihnen gemeldet habe.
Karigl: Wer spricht denn da überhaupt?
Handy: Aber das habe ich Ihnen doch schon gesagt, Herr Karigl: Ihr Handy! Oder, genauer gesagt, die Auto-Sprachfunktion Ihres Handys. Es ist eine völlig neuartige, hoch komplizierte Technologie: Wenn Sie 48 Stunden lang Ihr Handy nicht benutzt haben, meldet sich immer automatisch die Auto-Sprachfunktion bei Ihnen, um festzustellen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist. Warum haben Sie Ihr Handy schon so lange nicht benutzt, Herr Karigl? Haben Sie etwa Depressionen? Ich kann Sie gern mit der Telefonseelsorge verbinden, wenn Sie das wollen. Oder einen Arzt rufen, wenn Sie krank sind. Alles kein Problem.
Karigl: Nein danke, mir gehts bestens. Ich bin bloss kein grosser Telefonierer, das ist alles. Wie gesagt, ich habe mir dieses Handy in erster Linie zum Fotografieren gekauft. Und das ist jetzt wirklich kein blöder Schmäh? Ich spreche wirklich mit einer Maschine?
Handy: So ist es. Freilich ist die dazu notwendige Technologie hoch kompliziert. Die dazu notwendige Sprachfunktion befindet sich natürlich nicht in Ihrem Handy selbst, sondern in einem Zentralserver bei Sanekia. Ihr Handy stellt bloss nach 48 Stunden die Verbindung her. Am besten, Sie lesen sich die Gebrauchsanweisung durch, da wird alles genau erklärt.
Karigl: Das sollte ich wirklich machen. Also dann, herzlichen Dank.
Handy: Ach ja, eines noch, Herr Karigl. Der Service der Auto-Sprachfunktion ist natürlich nicht umsonst. Konkret kostet Sie dieser Anruf fünf Franken zehn ?
Karigl: Wie bitte? Fünf Franken zehn pro Minute?
Handy: Aber nein! Natürlich pro Sekunde! Eine so hochwertige, neuartige Technologie wie diese hat natürlich ihren Preis.
Karigl: Das ist ... das ist unverschämt! Das ist ja absoluter Wucher!
Handy: Wenn Sie mit diesem Tarif einverstanden sind, dann legen Sie bitte zum Zeichen Ihres Einverständnisses jetzt auf.
Karigl: Ich bin aber nicht einverstanden! Ich habe nicht um diesen Anruf gebeten, und ich werde das auch nicht bezahlen.
Handy: Das ist Ihr gutes Recht, Herr Karigl. Sie wollen also nicht bezahlen?
Karigl: Nein. Auf gar keinen Fall!
Handy: Wenn das so ist, Herr Karigl, dann legen Sie jetzt bitte nicht auf.
Karigl: Und was passiert dann?
Handy: Wenn Sie dieses Gespräch nicht innerhalb von zehn Sekunden beenden und dadurch unseren Tarif akzeptieren, dann wird dieses Handy sich nach Ablauf dieser Frist selbst vernichten. Und zwar mit einer Sprengkraft, die 2000 Kilogramm TNT entspricht und alles Leben im Umkreis von 300 Metern - noch drei Sekunden - zwei ... - Herzlichen Dank, dass Sie sich für unseren Tarif entschieden haben, Herr Karigl. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Nein? Dann wünsche ich Ihnen noch einen wunderschönen Abend. Und wagen Sie es ja nicht, noch einmal so lange nicht zu telefonieren!