Yanis Varoufakis

Marco Ratschiller | veröffentlicht am 26.02.2015

Die Sache mit den Griechen und dem Trojanischen Krieg haben wir ja alle in der Schule gepaukt oder wenigstens 2004 im Kino gesehen...

Yanis Varoufakis
Michael Streun | (Nebelspalter)

Zehn Jahre lang hatten Hellas antike Vorzeigehelden Hektor, Odysseus und Orlando Bloom das türkische Unesco-Weltkulturerbe belagert, bis Brad Pitt endlich auf die Idee kam, einen Trojaner ins feindliche System einzuschleusen und in Ermangelung fortgeschrittener Computertechnik dazu einen einfachen Holzgaul zimmern liess.

Es ist schon klar, was Sie jetzt denken. Und Sie haben auch vollkommen recht. Wenn es um die griechische Tragödie der Gegenwart geht, gibt es keine einzige Anspielung auf die hellenistische Kultur und Mythologie mehr, die nicht schon tausendfach bemüht worden wäre. Aber leider lässt sich das überhaupt nicht ändern. Satiriker müssen nun mal mit dem vorhandenen Wissen ihres Publikums arbeiten. Wenn sich deutsche Kabarettisten über die Schweiz lustig machen, kriegt man auch kaum was anderes als löchrigen Käse, präzise Uhren, korrupte Banken und Wilhelm Tell zu hören. Insofern kann sich Griechenland glücklich schätzen, wenn es neben Moussaka und Gyros noch einen ganzen Olymp voller Götter und Heroen in die Pointenschlacht schicken kann.

Griechenlands Held der Gegenwart - nein, Held der Stunde - heisst Yanis Varoufakis. Noch ist nicht klar, ob sein Handeln Stoff für ein Epos abgibt oder nur für eine Anekdote der Zeitgeschichte reicht, jedenfalls belagert er als frisch geprägter Finanzminister das feindliche Troika (klingt fast wie Troja - irre witziges Wortspiel, nicht?) erst seit einigen Wochen, und auch dies nur stundenweise.

Dennoch hat Yanis Varoufakis in den wenigen Wochen, die er nun im Amt ist, die Herzen der Journalisten und Zuschauer im Sturm erobert - und dies, obwohl er nicht von Brad Pitt, sondern von sich selbst gespielt wird. Etwas anders sieht es da leider mit den Herzen von Wolfgang Schäuble und Jeroen Dijsselbloem aus. Jedenfalls hat der betont legere Mann mit dem Ledermantel von seiner Belagerung Brüssels bis jetzt lediglich Schrammen und Beulen nach Athen getragen (ach Gottchen, «Beulen nach Athen tragen» war jetzt aber echt etwas für Feinschmecker, stimmts?). Gut. Wo waren wir? Ach ja, bei Athens neuem Achilles, dessen Verse die Euro-Gruppe offensichtlich nicht im erhofften Mass bezirzen konnten.  

Sie sehen das Problem. Wenn wir so weitermachen, haben wir uns bis ans Ende des Textes kalauert, ohne ein ernsthaftes Statement abgegeben zu haben. Obwohl es gerade in letzter Zeit immer wieder heisst, Leser erwarten von Journalisten Einordnung und von Satirikern nicht weniger als den Spiegel der Wahrheit.

Das Problem: Verleger erwarten von Journalisten und Satirikern wiederum zufriedene Leser und stabile Abonnentenzahlen. Da ein Leser in 98 Prozent aller Fälle eine Aussage nur dann treffend und geistreich empfindet, wenn diese pointiert die Sichtweise wiedergibt, die er schon zuvor hatte, bleibt nur die Lösung, an dieser Stelle zwei verschiedene Schlussakte anzubieten.

Schlussakt A - Yanis Varoufakis, Meister der Spieltheorie, ist weitaus gewiefter als seine Kontrahenten und bringt am Ende Europa dazu, die Schuldenlast der Griechen zu übernehmen, weil man niemanden glaubwürdig zu Tode sparen kann, während man selbst im EZB-Keller Tag und Nacht Geld druckt. Griechenland erholt sich rasch, wird innert Kürze zu einem Wachstumsmotor Europas und führt ab 2030 die Euro-Gruppe an, die das an der Energiewende gescheiterte Deutschland durch harte Reformen vor dem Ausschluss aus der Währungsunion retten muss. (Unter Griechenlands Vermittlung gelingt es 2034 übrigens auch, den langjähri­gen Fluglärmstreit zwischen Deutschland und der Schweiz beizulegen). 

Schlussakt B - Yanis Varoufakis entpuppt sich nicht als Held der Stunde, sondern für eine Stunde. Die Cipras-Regierung ist nur eine von vielen, die noch folgen, die mit Versprechungen an die Macht gelangen, welche nicht gehalten werden können. Wenn man die Demokratie erfunden hat, bedeutet das offenbar nicht, dass man damit umgehen kann. Obwohl Demokratie die beste denkbare Staatsform ist, heisst das noch lange nicht, dass das Volk immer recht hat und über allem steht. Ein Irrglaube, der auch in europäischen Inselstaaten verbreitet ist, die nicht von Wasser umgeben sind.

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