Vegan schreiben

Marco Ratschiller | veröffentlicht am 02.07.2015

Es gehört zu den unschönen Schattenseiten der Natur, dass eine grosse Zahl biologischer Arten - sogenannte Äste und Triebe des weitverzweigten Baums der Evolution - ihren eigentlichen Energielieferanten im Verzehr anderer Lebensformen finden.

Vegan schreiben
Swen (Silvan Wegmann) |

Genau: Fressen und gefressen werden. Auf dem Hintergrund des jahrmilliardenalten Circle of Life stellt das Phänomen freiwilligen Verzichts auf gewisse Nahrungsressourcen, das heutzutage bei einer zunehmenden Gruppe von Menschen zu beobachten ist, eine ausgesprochen junge, aber äusserst interessante Neuerung dar.

Interessant vor allem deshalb, weil die Grenzziehung, die einzelne Bereiche der Artenvielfalt vor dem Verdauungstrakt des Menschen bewahren soll, nicht ohne Widersprüche und Kreativität auskommt. Die katholische Kirche hatte in früheren Jahrhunderten bekanntlich den Biber zum Fisch erklärt, damit dieser an grundsätzlich fleischlosen Freitagen dennoch den Weg in den Eintopf finden durfte. Die beeindruckende Zahl von Land­gasthöfen, die auf ihrer Speisekarte unter «vegetarische Gerichte» unerschrocken noch immer Fisch und Meeresfrüchte im Angebot führen, sind da kaum besser.

Im Spannungsfeld zwischen Omnivoren (Allesfressern) und Frutariern (die nur essen, was die Natur als Früchte und Nüsse nach ihrem Ermessen freiwillig hergibt) verzeichnen derzeit vor allem die Veganer (die gänzlich auf Ausbeutung von Tieren verzichen und damit auch Honig, Milch und Leder ablehnen) starken Zulauf. Ein letztes Mal noch - ehe diese Zielgruppe für unser Abomarketing zu wichtig wird - wollen wir die Veganer aufs Korn nehmen.

Haben Sie es bemerkt? Mit «aufs Korn nehmen» haben wir bereits eine vegane Redensart verwendet, während «Salami-Taktik», «Fleisch am Knochen» und «wo Milch und Honig fliessen» bereits tabu sind.

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