Die Schlachten von morgen

Daniel Glutz | veröffentlicht am 08.09.2015

Das Jahr 2015 ist das Jubiläumsjahr der Schlachten. Marignano, Morgarten, Wa­­terloo. Jeder noch so kleine Nachbarschaftsstreit kriegt seine Feier. Dabei ist doch schon alles passé. ...

Die Schlachten von morgen
Philipp Ammon | (Nebelspalter)

... Die Krieger, die ihr Le­ben lassen mussten oder als Krüppel nach Hause kamen, um dann das Stadtbild als Bettler zu schmücken, oder die Frauen, die neun Monate nach der Schlacht das Produkt einer Massenvergewaltigung, heute Gangbang genannt (klingt auch ein bisschen kriegerischer), auf die Welt bringen, all die haben das Leid doch schon hinter sich. Die brauchen unseren Trost und unsere Gedanken nicht mehr. Vielmehr sollten wir in die Zukunft schauen und den Schlachten von morgen unsere Gedanken widmen. Der «Nebelspalter» als zukunftorientiertes Blatt gedenkt hiermit den Opfern und Kämpfern der wichtigsten zukünftigen Schlachten.

In 20 Jahren: Einmarsch in Liechtenstein  
Das Ländle wird ständig frecher und wird uns auf der Nase rumtanzen. Nachdem uns die Ski-fahrer, denen wir bereits heute Bleiberecht in unserer Trainingsgruppe geben, ständig vor die Na-se fahren, wird auch der FC Vaduz noch Serienmeister. Kurz bevor die Vaduzer den Pokal zum 5. Mal nacheinander in die Höhe stemmen werden, wird auch die Schweizer Nati zum 3. Mal nacheinander gegen das Fürstentum verlieren. Aller guten Dinge sind drei - und der schlechten sowieso.

Natürlich werden wir uns diese Schmach nicht gefallen lassen. Die Verteidigungsarmee wird zu einer Angriffsarmee umgerüstet, der ehemalige und nun auf die Gehhilfe angewiesene Verteidigungsminister wird es sich nicht verkneifen, dem neu gewählten Angriffsminister zu diesem Vorhaben zu gratulieren, mit der Anmerkung: «Ich hans doch scho immer gahnt.» Im Übrigen werden auch gleich die Bürozeiten der Schweizer Luftwaffe abgeschafft werden. Und Liechtenstein wird noch vor dem Mittagessen eingenommen sein.

In 100 Jahren: Wutbürgeraufstand
Des Wutbürgers grosser Traum wird in Erfüllung gehen und alle Gutmenschen werden das Land verlassen, um im vermeintlichen Gutmenschen-Paradies Europa Zuflucht zu suchen. Dies wird als die grosse Gutmenschen-Flucht in die Geschichtsbücher eingehen. Ab da an werden die Wut-genossen endlich ihrem Hobby nachgehen können und dürfen schöne grosse Mauern um ihre Grundstücke ziehen. Es werden die modernsten Überwachungskameras installiert werden und sogar Selbstschussanlagen werden erlaubt sein.

Im Parlament wird es ja keine störrischen linken Menschenfreunde mehr geben, die sich gegen ein solches Gesetz hätten stemmen können. Weil sich die Schweizer in ihren Festungen verstecken können, werden sie immer mehr vereinsamen, ihr Kontakt nach aussen wird nur noch durch das Fernsehen mit schlimmen Nachrichten über die Ausländer aufrecht, erhalten oder wenn die Selbstschussanlage wieder ein Eichhörnchen erwischt hat, das dann vom sauber getrimmten Rasen (dank automatischem Rasenmäher), entfernt werden muss.

Dadurch wird die Anzahl der Singles in die Höhe schiessen und weil Selbstbefriedigung noch nie zu Nachwuchs geführt hat, werden demzufolge die langsam in die Jahre kommenden Wutbürger von blanker Angst gepackt, dass nichts mehr von der AHV für sie übrig sein wird, dazu kommt noch, dass alle gutmenschlichen Samariter das Land verlassen haben werden und somit auch niemand auf sie schauen wird, wenn sie betagt sein werden, denn Kinder werden sie ja auch keine haben.

Diese Zukunftsangst wird die zuvor schon nervösen Eidgenossen noch ein bisschen feinfühliger machen und schliesslich wird das Pulverfass beginnen zu knistern. Es wird dann auch nur ein kleines Fünkchen sein (eine Selbstschussanlage hat Nachbars Lumpi erwischt), die das Ganze, wie bei Matters Zündhölzli, zum Bersten bringen wird. Es wird zu einem fürchterlichen Bürgerkrieg kommen. Viele Tote und Verletzte wird es geben. Sodass die zuvor ausgewanderten Gutmenschen, vor allem in der zweiten Generation, wieder zurückkommen werden, um den armen Wutbürgern zu helfen. Diese jungen Helfer werden sich in das Land ihrer Vorfahren verlieben und sich niederlassen, und die Schweiz wird wieder den Status quo erreichen.

In 150 Jahren: Polizistenputsch im Aargau
Nach der Rückkehr der Gutmenschen werden die Gesetze wieder loser und die Bevölkerung wird sich wieder befreiter bewegen können. Das Schweizer Volk wird die halbanarchische Situation in vollen Zügen geniessen, nachdem sie jahrelang von der Regulierungswut der Wutbürger unterdrückt gewesen sein werden. Es wird ein heiteres Leben sein, mit vielen Festen und ausschweifenden Gelagen, an denen jeder willkommen sein wird. Der Promillegehalt bei Autofahrten wird angehoben werden und kiffen wird auch legal sein. Das werden die zwei Rechtsänderungen sein, die mit frenetischem Jubel von der ganzen Bevölkerung gefeiert werden. Von allen? Nein, ein Kanton wird sich gegen die Verlotterung des Rechtssystems wehren.

Oder auf jeden Fall ein grosser Teil der Bewohner dieses Kantons, der aus lauter Polizisten besteht. So werden die Polizisten einen Putsch starten, um den Kanton zu übernehmen und um wieder eine rigorose Gesetzgebung einzuführen. Der Putsch verläuft überaus friedlich, da sich alle, die sich ein vogelfreies Leben wünschen, freiwillig umziehen werden, und die Rechtsfanatiker bei ihrem «Polizisterle» sein lassen werden. Die restliche Eidgenossenschaft wird froh sein, den Polizistenstaat endlich losgeworden zu sein und wird sich beim Friedensvertrag das Wegrecht der A1 festschreiben lassen. Wiederum werden Bussen aus dem Polizeistaat geflissentlich ignoriert werden. Und so wird jährlich als Erinnerung an diesen grossen Tag ein imposantes Feuer entzündet werden, in dem die Bussen unter grossem Johlen verbrannt werden.

In 175 Jahren:Deutsch-albanischer Aufstand
Die Jahre werden ins Land ziehen und der Gutmenschen-Staat wird zu der losen Gesetzgebung auch die Grenzen öffnen. Die Schweiz wird nebst dem Reichtum und den schönen Landschaften auch dank der Gesetzgebung immer wie mehr ein Paradies auf Erden werden. Und da wird das Wutbürger-Gen, das immer noch im Schweizer steckt, plötzlich wieder aktiviert werden. Man wird sein paradiesisches Leben mit niemandem teilen wollen und wird die Grenzen wieder schlies­sen wollen. Die Missgunst und die Angst, sein Paradies verlieren zu können, wird den Fremdenhass schüren.

Was zuerst an Stamm­tischen diskutiert werden wird, wird bald auch in Internetforen und dann auf offener Strasse direkt ausgesprochen. Dies wird zu einem widerlichen Progrom gegen die grössten Gruppen von Einwanderern führen, den Deutschen und den Albanern. Schilder werden aufgestellt werden: «Kauft nicht bei Deutschen und Albanern». Albaner müssen als Symbol einen gehängten Doppelkopfadler und die Deutschen einen gehängten Bundesadler tragen, damit sie klar erkennbar sind. Sie werden bespuckt werden und sie werden nicht mehr arbeiten gehen dürfen. Was niemand für möglich gehalten haben wird, wird eintreffen.

Die beiden Volksgruppen, die sich bis dahin spinnefeind gewesen sein werden, werden sich zu einer unheiligen Allianz verbinden und sich fürchterlich rächen. Beim Aufstand werden Tausende umgebracht und eingesperrt werden. Es wird die 2. Grosse Flucht des 3. Jahrtausends sein. Viele werden bei der Flucht ins nördlich gelegene Deutsch-Europa bei der Durchquerung des Rheins elendig ertrinken. In den Kommentarspalten der deutschen Medien werden Kommentare stehen wie, «Jeder, der untergeht, ist einer weniger, der bei uns die hohle Hand macht». Das werden noch die harmloseren Kommentare sein. Die Schweiz wird umbenannt werden in Deutsch- Albanien und das Symbol wird ein dreiköpfiger Adler sein.

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