Winditsch? Nie gehört!

Renate Gerlach | veröffentlicht am 01.10.2015

«Was machst du denn mit deinen Kätzchen, wenn du ans Meer fährst?», fragt die Arbeitskollegin...

Winditsch? Nie gehört!
Miroslav Barták | (Nebelspalter)

«Meine Mutter wohnt während meiner Abwesenheit in meinem Haus und kümmert sich um alles. Für sie ist das eine willkommene Abwechslung, und die Katzen liebt sie ohnehin.»

«Ja, das ist eine gute Lösung», findet die Kollegin, und das stimmt ja auch. Mama Berger liebt Katzen und die Wohnung ihrer Tochter findet sie wunderschön. Mit einer Ausnahme: Die kleine Kommode beim Fenster sieht alt und verwittert aus. Sie passt überhaupt nicht in dieses schöne Heim und hätte dringend einen Anstrich nötig.

Ja und dann ist der Plan auch schon gefasst. Frau Berger geht in den nächsten Heimwerkermarkt und kauft Farbe, passend zu den Vorhängen. Sie lässt sich vom Verkäufer gut beraten und beginnt noch am gleichen Tag mit ihrem Werk. Sie gibt sich grosse Mühe und hat von früher her Erfahrung im Restaurieren. Vor ihr war kein altes Möbelstück sicher. Nur die neugierigen Katzen machen ihr Probleme, sie muss sehr gut aufpassen, dass die Tiere nicht an der neuen Farbe kratzen.

Die Truhe ist sehr schön geworden und passt perfekt zu den Vorhängen. Mama kann es kaum erwarten, bis ihre Tochter aus den Ferien zurückkommt und das Geschenk sieht. Dass sie begeistert sein wird, daran hat sie keinen Zweifel. «Mama, was hast du gemacht!» Die Tochter lässt ihr Gepäck fallen und schlägt die Hände vors Gesicht.

Frau Berger ist ganz gerührt von so viel Freude. «Ist sie nicht schön geworden und passt sie nicht einfach wunderbar hierher? Das alte Ding war ja wirklich sehr hässlich.» «Das alte Ding? Aber das war doch Vintage. Und weisst du, was dieses alte Ding gekostet hat?» Erst jetzt begreift die Mutter, dass ihre Tochter zornig ist und nicht vor Freude gerührt. Und nun ist sie verärgert, sie hatte sich so viel Mühe gegeben. Sie verlässt das Zimmer, schlägt die Türe zu und wenn man genau hinhört, kann man so etwas hören wie: «Scheisswinditsch», oder so ähnlich.

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