Aus der Tea-Lounge der Schnitzerei Albisser

Nico Arn | veröffentlicht am 07.03.2016

Geschätzter Vorstand! Ihr Chef hat auf Anraten seines Neffen, einem Studenten an der HSG St. Gallen, unser Unternehmen mit der Optimierung Ihres Betriebes beauftragt. Und als Deputy Economic Procurement President der Unternehmungsberatung NOW-Consulting aus Dortmund freut es mich, Ihnen den abschliessenden Bericht über unser Wirken präsentieren zu dürfen...

Aus der Tea-Lounge der Schnitzerei Albisser
(Nebelspalter)

Ihr Unternehmen ist ein Familienbetrieb, der stark in der Community vernetzt ist und seit 1912 handgeschnitzte Kühe im Swiss-Ethno-Look an Souvenirshops im umliegenden Tal verkauft. Dieser Markt wurde nun von uns auf das angrenzende Seeland ausgedehnt, indem wir das Sortiment um handgeschnitzte Möwen im Swiss-Ethno-Look erweitert haben. Zudem wurden bereits die nötigen Anschaffungen gemacht, um Ihre Artikel mit Bluetooth auszustatten und so die vielversprechende Wireless-Linie voranzutreiben.

Was den Betrieb betrifft, konnten wir die bestehenden Gegebenheiten erfolgreich ins 21. Jahrhundert übersiedeln. Sie werden sicher die Tea-Lounge, die fortan die Kaffee-Ecke im sogenannten «Stübli» ersetzen wird, bemerkt haben. Die IT musste von Grund auf modernisiert werden. Um den Azubi, der bislang die Kundenkartei geführt hat, zu entlasten, sahen wir es als unumgänglich, einen IT-Leiter, ehemaliger CIO einer Londoner Bank, ins Team zu holen. Zwar ist dieser brillante Mann des Berndeutschen nicht mächtig, er macht diesen Nachteil aber mehr als wett mit seinem unermüdlichen Engagement.

Das Backoffice im Corporate Headquarter (ehem. Büro) wurde mit einem Serverraum, einem Arbeitsplatz mit sechs Bildschirmen und einer Glasfaser-Highspeed-Leitung ausgestattet, was Frau Hanni (neu Managing Director Backoffice) die Auftragsabwicklung gemäss dem eingeführten Standard ISO 9001 ermöglicht. Das neu rekrutierte Supportteam betreibt nun (dank neuer Telefonanlage) ihr internes Call-Center.

An dieser Stelle noch eine Bitte der Techniker an Sie. Sie mögen Frau Hanni doch anweisen, allfällige Anfragen nicht mündlich über die Schulter, sondern telefonisch an die Techniker zu tätigen, damit das Reporting im Hintergrund nicht verfälscht wird. Die von uns beauftragte Marketing-Agentur SCREAM aus Berlin fand Ihren Werbeauftritt dürftig - das Plakat mit Adresse, Telefonnummer und einem Foto des Betriebes genügt nicht.

Sehr beeindruckt waren die Leute von SCREAM jedoch von Ihrem Slogan «aube Aubisser!» als gewagten, urchigen, schon fast trotzigen Urschrei kelto-germanischer Virilität durch die Jahrhunderte. Allerdings müsse sich, da sind sich Marktforscher einig, die Kommunikation im PR-Bereich altertümlicher oder gar mystischer Sprachelemente erwehren. Daher wurde der Slogan peppig und vor allem verständlich in: «Warum seid ihr denn?! Berge! The future was now!» abgeändert. Diese Änderung  wird zusätz­lichen Sexappeal kreieren, wenn wir die Plakatkampagne landesweit fahren.

Wir haben festgestellt, dass Sie im Betrieb einen Herrn aus Indien beschäftigen, den Sie imagemässig aber überhaupt nicht nutzen. Das Filmteam der Agentur wird Sie wegen eines Imagefilms kontaktieren. Bitte klären Sie schon mal ab, ob Ihr Schweizer Schnitzermeister allenfalls bereit wäre, sich für einen Tag in einen Rollstuhl zu setzen.

Als letzten Punkt möchte ich noch erwähnen, dass wir uns intensiv mit dem Problem befasst haben, dass täglich der gesamte Betrieb für eine 30-minütige «Viertelstunde» komplett stillsteht, weil dann ein gewisser «Znüni» abgehalten wird. Wir lassen das aber so bewenden, da wir beim Versuch, auch das zu optimieren, auf heftigsten Widerstand gestossen sind. Vielen Dank für Ihre Zusammenarbeit!

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Zur Person

Nico Arn tritt zum nächsten Mal als Stand-up-Comedian am 7. April 2016 ab 19.30 Uhr an der Veranstaltung «Schabanack - das gros­se Finale» im Kugl in St.?Gallen auf.

Weitere Infos auf www.nicoarn.com.

Artikel erschienen in der Ausgabe

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