
Gourmet-Tempel gibt es ja schon eine ganze Weile, doch richtiges und exquisites Essen wird immer mehr zur Ersatzreligion für immer breitere Bevölkerungsschichten. Unsere Religionskritik dazu lesen Sie...
Artenvielfalt: Edel-Italiener, Original-Inder oder Kreativ-Thurgauer sind hochgejubelten Sterneköchen oft ebenbürtig.
Bocuse, Paul: Urvater aller neuen Gourmettrends. Sein Motto: «weniger ist mehr» wurde zu «weniger isst mehr», also höherer Umsatz dank mehr Show. Trotzdem lebt Paul noch.
Chemie: Zunehmend ist alles zu «100?% natürlich zubereitet». Wohlgemerkt: zubereitet!
Dekoration: Essbare Blüten oder einzelne hochgestellte frittierte Spaghetti rechtfertigen einen höheren Preis.
Erdbeeren mit Pfeffer: Das war der Anfang sämtlicher gewagter Kombinationen. Bald war alles möglich: z.?B. Austern mit Bündnerfleisch, Pralinés mit Goldplättchen, Nieren mit Pfefferminzsauce.
Fleisch: Erschwinglich bald nur noch für Bonus-Empfänger.
Gault-Millau: Die französischen Restauranttester haben wohl auch Schweizer Gene: zu langer Peterlistiel = Punkteabzug.
H?O: Um ein Steak zu produzieren, braucht es 12?000 Liter Wasser, für die gleiche Menge Insekten lediglich 160 Liter.
Insekten: Nahrungsmittel der Zukunft. Fettarm, ohne Cholesterin und mit vielen Vitaminen und Spurenelementen. Wir werden lernen müssen, sie zu lieben.
Jeder kann auf hohem Niveau kochen. Etwa so: Mikrowelle mit Grillfunktion an, Alufolie weg, Lasagne rein, servieren und «ja» sagen, wenn jemand wissen will, ob sie hausgemacht ist.
Konzepte ändern sich oft. Gerade ist in: «low service, high quality», also Gerichte ohne Chichi. Endlich zurück zu den Ursprüngen!
Lausanne: Die Hotelfachschule bringt der Welt den perfekten Service. Sie bräuchten zwingend eine Filiale in China.
Mehlwürmer: Ja, diese netten Krabbeltierchen werden bald das Fleisch ersetzen. Ist gesünder, leicht nussig, nachhaltig, günstig. Augen zu und runter!
Namensgebung: Was teuer werden soll, muss auch teuer daherkommen. Faustregel: Je länger die Beschreibung der Speise, umso mehr muss sie wert sein (siehe dazu auch Q).
Oh, raten Sie mal, was hieraus wird: Schalotte + Knoblauch + Spinat + Zitrone + Öl + Salz + Pfeffer + Eier + Käse. Das kann doch nur eine - Omelette werden. Und das bio natürlich.
Pasta: Die zeitgemässen Spaghetti müssen heute schwarz sein, neue Kreationen sind unaussprechliche «Strangolapreti» oder «Pici mit Wildschwein-Ragout». Oh Pasta mia!
Quiche Lorraine: In der gewöhnlichen Beiz bekannt als «Chäs-Chüechli» für 4 Fr., im Gourmet-Tempel als: «Obergäriger Bergkäse vom Schweizer Hausrind, auf frischem Mai-Heu gereift, ummantelt von einer einheimischen Gerstenkruste mit eingearbeiteten Magerspeck-Bollen und angereichert mit Guérande-Salz.» 19.50 Fr., dafür ein Drittel kleiner.
Restaurant-Tester ist nun wirklich kein Traumberuf: Denn die täglichen Mehrgang-Spitzen-Menüs stumpfen die Geschmacksnerven komplett ab. So malträtiert sind sie vielleicht noch zu begeistern durch eine «Brodwurscht» am OLMA-Stand.
Schweizer Gourmet-Esser fahren gerne ins Ausland: auch hier ist Geiz geil.
TV-Kochshows: Früher hiess es: «Wer nichts wird, wird Wirt», heute: «Wer als Moderator k.o. ist, kocht».
Unbehagen: Wenn Sie in einem Nobelschuppen partout die Speisekarte nicht verstehen, flüchten Sie unter einem Vorwand und gehen Sie ins «Rössli». Dort gibt es immer den besten Beinschinken.
Veganer sind der Albtraum für jeden Küchenchef: Wegen ihrer eintönigen Nahrung gibt es Kreativität nur im Preis.
Wasser gibt es in Frankreich gesetzlich kostenlos zu jeder Mahlzeit, bei uns kostet es so viel wie dort der Wein.
X für ein U vormachen: Sterne-Küche soll besser schmecken als die Rezepte vom Grosi.
Yoga hilft auch, das Essen besser zu vertragen: Sie erhalten eine innere Balance, höhere Energie zum Verdauen und einen starken Rücken, mit dem Sie auch noch beim 6. Gang gerade sitzen können.
Zum Schluss: Essen muss Freude bereiten, es muss natürlich sowie nachvollziehbar sein, bezahlbar bleiben und gut schmecken. Also: Wieder öfters zur Mama!