Ist doch alles Mao was Adolf

Andreas Thiel | veröffentlicht am 03.11.2016

Wenn man als Liberaler nach links und nach rechts schaut, treffen sich die beiden Richtungen tief unten. Liberalismus steht für viel Freiheit und Selbstverantwortung, wenig Staat und Gesetz, aber auch für wenig Sicherheit. Sicherheit ist das Gegenteil von Freiheit.

Ist doch alles Mao was Adolf
Swen (Silvan Wegmann) | (Nebelspalter)

Wenn man als Liberaler nach links und nach rechts hört, vernimmt man von beiden Seiten den Ruf nach mehr Sicherheit und somit nach mehr staatlicher Kontrolle. Das bedeutet, links wie rechts des Liberalismus wächst der Etatismus, denn sowohl die Linke wie auch die Rechte ruft nach mehr Regulierung.

Der grosse Unterschied zwischen linker und rechter Politik liegt bloss darin, dass die Linke alles international geregelt haben will und die Rechte national. Wir haben es also links mit Internationalisten zu tun und rechts mit Nationalisten, aber in beiden Fällen mit Etatisten.

Dass die Linken gerne liberal wären, ist ihr Dilemma, vor allem weil sich der Liberalismus besser mit dem Nationalismus verträgt als mit dem Internationalismus. Während auf nationaler Ebene die Demokratie noch spielt, ist auf internationaler Ebene keine Demokratie mehr möglich. Als Nationalist kann man noch Demokrat sein, als Internationalist ist das ein Widerspruch. Der Internationalismus ist nicht nur antiliberal, sondern auch noch undemokratisch. Ich weiss, das ist eine schlechte Nachricht für alle Linken, aber die Freiheit liegt nun einmal nicht im Sozialismus begraben, und wenn, dann nur tot.

Dies ist vermutlich der Grund, warum die Linken alles, was nicht links ist, als rechtsextrem bezeichnen. Da es sich bei der linken Ideologie um eine Einparteienideologie handelt, müssen Linke alles, was nicht dieser - in ihrem Gedankenspektrum - einzig möglichen Partei entspringt, als extrem empfinden.

Dass jenseits der rechten Parteien tatsächlich ein Extremismus existiert, kommt daher, dass Menschen so ziemlich alles ins Extreme treiben, vom Vegetarismus über Tier- und Umweltschutz bis zum Liberalismus, dessen Extrem die Anarchie ist.

Auf der anderen Seite redet man beim Linksextremismus nicht von «Extremismus», sondern von «Aktivismus», was damit zusammenhängt, dass eine Einparteienideologie in einer Demokratie per se etwas Extremes darstellt, und es so etwas wie einen Extremextremismus nicht gibt.

Die Linken und die Rechten weisen keine Schnittmenge auf, weil zwischen links und rechts das Feld des Liberalismus liegt. Das müsste man zumindest meinen. Die Schnittmenge existiert aber trotzdem. Man muss bloss nach unten schauen. Im negativen Bereich des Liberalismus, dort wo auch dieser extrem wird, im Anarchismus nämlich, treffen sich auch der Links- und Rechtsextremismus wieder. Denn das Links-rechts-Schema ist in Wirklichkeit keine Gerade, sondern ein Kreis.

Den obersten Punkt des Kreisbogens bildet der Liberalismus. Links und rechts davon geht es auseinander, aber auch nach unten. Es wird auf beiden Seiten etatistischer, extremer und unfreier. Die beiden Halbkreisbögen treffen sich am untersten Punkt des Kreises in der Anarchie. Je weiter weg von der Freiheit, desto tiefer steckt man in der Regulierung - ob national oder international. Und je regulierter eine Gesellschaft ist, desto weniger hält sie sich an Regeln, bis sie die Ketten ganz sprengt und in der Anarchie landet. Das nennt man Revolution.

So, nachdem ich nun schon zwei Drittel des Textes ohne Pointe hinter mich gebracht habe, versuche ich der ganzen Betrachtung doch noch einen unterhaltsamen Aspekt abzuringen. Wenn man nicht links ist, wird einem von den Linken ja gerne vorgeworfen, man begebe sich selbst in «schlechte Gesellschaft». Im Gegensatz zu den Linken befindet man sich als Liberaler aber nicht in Gesellschaft mit Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot, Kim Jong Un und Co. Was soll dieser Verweis auf schlechte Gesellschaft für alles, was nicht links ist? Sind alle Vegetarier in schlechter Gesellschaft, weil auch Adolf Hitler kein Fleisch ass?

In schlechte Gesellschaft begibt man sich dann, wenn man Extremismus unterstützt oder rechtfertigt. Denn derjenige, der einen Stein an den Kopf geworfen bekommt, dessen Beule ist gleich gross, ob der Stein von links oder von rechts angeflogen kommt.

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