
Früher war alles anders. Damals, als Peter Bichsel seine Geschichte «Ein Tisch ist ein Tisch» geschrieben hat. Damals war ein Tisch nur ein Tisch. Heute ist alles multifunktional. Ein Telefon ist auch ein Fotoapparat. Eine Uhr ist auch ein Telefon. Und ein Lied ist auch ein Buch. Wenn das Lied von Bob Dylan stammt...
Bei der Vergabe des Nobelpreises für Literatur hat das zuständige Komitee die Zeichen der Zeit erkannt. Das Buch hat als Medium ausgedient. Weil ein Buch nur ein Buch ist. Wenn ein Buch doch wenigstens noch staubsaugen könnte, oder den Puls messen. Aber so ist es nichts als ein absurd dimensionierter Datenträger mit einer lächerlich geringen Anzahl von Daten. Die Zeit, die das Lesen eines Buches erfordert, steht in keinem Zusammenhang mit dem Content. Nehmen wir Hemingways Klassiker «Der alte Mann und das Meer». Umfang: 160 Seiten. Content: Ein Mann geht fischen. Da stimmt einfach Aufwand und Ertrag nicht.
Bob Dylan gelingt es, wie das Nobelpreiskomitee richtig erkannt hat, den Literaturbedarf eines Menschen in einem Lied von drei Minuten zu befriedigen. Den Rest des Tages kann sich der Mensch dann anderen Tätigkeiten widmen. Das Lied ist als Literaturmedium besonders geeignet, weil es nur geringe Aufmerksamkeit erfordert. Die Essenz der Literatur, deren Wert unbestritten ist, gelangt so über das Ohr direkt ins Unterbewusstsein, während der Mensch, der sie als Song konsumiert, gleichzeitig beispielsweise ein Auto repariert. Diese Vereinigung von Literatur und Arbeit verdeutlicht wie kein Zweiter der Büezer-Rocker Gölä. Er hält die Menschen an, zu büezen und dazu beispielsweise über schneeweisse Schwäne zu meditieren. Eine Frage der Zeit, wann Gölä dafür den Literatur-Nobelpreis verliehen bekommt. Oder irgendeinen Preis vom WWF. Im Gegensatz zu Bob Dylan würde Gölä den Nobelpreis wohl nicht annehmen, weil Gölä das Nobelpreiskomitee zu links ist.
Es spricht Bände, wie die Menschen nun gemeinsam mit Bob Dylan den Entscheid des Nobelpreiskomitees ausgiebig feiern. Der Tod des Buches ist eine Erleichterung. Bisher hat bloss niemand gewagt, etwas gegen diese Staubfänger zu sagen. Nun kommt es zu spontanen Buchverbrennungen. IKEA nimmt das Billy-Regal aus dem Sortiment. Und die Wohnungen, die jahrelang von Büchern erdrückt wurden, werden von Licht durchflutet. Thank you, Bob.