Ruf mal wieder an

Marco Ratschiller | veröffentlicht am 31.03.2017

Liebe Leserinnen und Leser, 6650 Heilige und Märtyrer zählt das Verzeichnis «Martyrologium Romanum», rund 45 davon lebten auf Schweizer Boden (respektive wurden daselbst geröstet, gerädert oder gevierteilt), aber nur einer hat es auch über die katholische Kirche hinaus zum...

Ruf mal wieder an
(Nebelspalter)

Liebe Leserinnen und Leser,

6650 Heilige und Märtyrer zählt das Verzeichnis «Martyrologium Romanum», rund 45 davon lebten auf Schweizer Boden (respektive wurden daselbst geröstet, gerädert oder gevierteilt), aber nur einer hat es auch über die katholische Kirche hinaus zum Nationalheiligen gebracht: Niklaus von Flüe alias Bruder Klaus.

Volle 460 Jahre musste von Flüe nach seinem Tod auf seine Heiligsprechung warten. Das nennt sich übrigens Kanonisation und ist somit keine artilleriegestützte Hinrichtungsmethode für Märtyrer. Am mangelnden Nachweis eines Wunders kann die späte Heiligung übrigens nicht gelegen haben: Klaus prophezeite Jahrhunderte voraus buchstabengenau die Maxime des Christoph von Herrliberg («Mischt euch nicht in fremde Händel»), der seinerseits nur darum noch nicht Nationalheiliger ist, weil er noch immer lebt. Die Verblichenheitsklausel ist auch der Grund, warum etwa Hansruedi von Herisau oder Recep von Ankara noch nicht als Heilige verehrt werden können. Obwohl der eine anno 2008 mehrere Milliarden Steuerausfälle in nur 80 Millionen verwandelt hat - und der andere seit letztem Sommer ein paar hundert Putschisten in 40'000 inhaftierte Terroristen.

Ohnehin ist die Heiligenverehrung und deren Anrufung leider in den letzten Jahrzehnten enorm zurückgegangen. Abgesehen von Barbara-Statuen, die bei Tunneldurchstichen herumgereicht werden. Seltsam, dass niemandem aufgefallen ist, wie zwischen all dem zunehmend beklagten Übel in der Welt und den nicht mehr in Anspruch genommenen Schutzpatronen ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Hoffen und Beten wurde durch Hetzen und Beschuldigen abgelöst, und Letzteres ist gerade bei Wutbürgern im Internet oftmals nicht weniger irrational als Heiligenkult. Falls Sie jetzt Lust verspüren, wieder einmal eine Fürbitte zu tweeten oder posten: Der heilige Isidor von Sevilla ist übrigens als Schutzpatron des Internets im Gespräch.

Herzlich,
Marco Ratschiller



PS: Mit dieser Ausgabe baut der «Nebi» sein Kolumnen-Angebot aus. Nebst neuen Namen (siehe nächste Seite) erhält auch der seit vielen Jahren für uns tätige Amtsschreiber von Krachenwil, Ruedi Stricker, seine eigene Rubrik: An seinen «Lausbubengeschichten» ist notabene, als Reaktion auf alle Fake News, alles wahr.

Artikel erschienen in der Ausgabe

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