Türkei

Thomas C. Breuer | veröffentlicht am 01.06.2017

Die türkische Küche ist derzeit grossen Erschütterungen unterworfen. Seit Einführung des Präsidialsystems wird die Einhaltung der nationalen Rezeptvorschriften penibel überwacht...

Türkei
(Nebelspalter)

Dies hat Präsident Rezept Erdogan gleich als Erstes verfügt. Der macht aus seinem Herzen keine Magengrube. Gourmetkritik ist ab sofort verboten. Zuwiderhandelnde kriegen eins auf die Dardanellen. Die Gerichte des Landes erfreuen sich schon regen Zuspruchs. Hier bestimmt einer, was auf den Tisch kommt. Und wenn die Volksseele kocht, gibts gerne Eintopf. Der Türke liebt an sich die Nahrungsaufnahme gesellig, immer häufiger in überbelegten Zellen, dennoch gibt es Döner for one in Einzelhaft. Ohne alles.

Immer beliebter wird stattdessen Flüssignahrung wegen der grassierenden Maulkörbe im Land. Das Einlegen von Rechtsmitteln hingegen ist auf dem Rückzug. Auch der Einfluss der Armee auf die Essgewohnheiten hat zugenommen, wie der vermehrte Einsatz von blauen Bohnen beweist. Natürlich gibt es eine Minderheit, die vorwiegend Wut in sich hineinfrisst, im stillen Kämmerlein. Öffentlichen Streithammeln werden izmirnichts-dirnichts beim allseits beliebten Strassen-Schlachten die Hammelbeine langgezogen, und das nicht nur bei Halbmond.

Die Grundversorgung ist nicht überall gesichert, warum in der Küche viel gewürfelt werden muss. Da es wenig zu lachen gibt, kann der übermässige Einsatz von Kichererbsen nicht überraschen, was wiederum zu einem erhöhten kollektiven Missbrauch von Anatolika führt. Entgegen der landläufigen Meinung stammen nicht alle Speisen mit einem Ü im Namen aus der osmanischen Küche: Sülze, Würstl, Gemüsebrühe, Grütze, Püree, Rüben oder Schnützel sind keine landestypischen Mahlzeiten.

Es gibt viele Gerichte ohne Ü: Köfte, Börek, Köbab. Gut, ein Ö sollte schon drin liegen. Natürlich nimmt man auch Nahrung ohne Ö zu sich: Humus z. B. oder Kompost, schön hingerichtet auf dem Teller mit stillgelegten Zucchini oder Gemüsekügelchen. Es gilt: Jede Mahlzeit muss hundertprozentig schnurrbartkompatibel sein. Zur Not bleibt noch der Raki zur örtlichen Betäubung. Oder der Besuch eines der vielen japanischen Sufi-Restaurants.

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