
Sitzungsleiter: Verteilte Stimmzettel: 124 - abgegebene Stimmzettel: 123 - gültige Stimmen: 122 - absolutes Mehr: 62 - Gewählt als «Tor des Monats» für die November-Ausgabe ist mit 99 Stimmen: ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
Hauskarikaturist: Perfekt! Kantige Stirn, grosse Ohren, infantiler Blick. Das wird geil.
Drucktechnologe: Und ich geh am besten schon mal an die Farbtöpfe einen extra grossen Kübel NS-Braun mischen.
(Gelächter in der linken Hälfte des Saals)
Ressort Geschichte: Ganz schwach, liebe Kollegen, ganz schwach! Einfach wieder mal die Nazikeule auspacken und feste draufhauen, im Glauben, das sei jetzt besonders scharfsinnig und visionär? Habt ihrs denn noch nicht begriffen? Die mediale Diffamieren von Donald Trump in den USA, der AfD in Deutschland oder der SVP in der Schweiz hat all diesen Kräften doch nur Horden von Wählern in die Arme getrieben! Nur schon durch die Plattform, die wir ihnen damit bieten, aber auch, weil das reflexartige Verteufeln dieser Kräfte und das Ignorieren ihrer Anliegen ihnen sogar geholfen hat.
(Zustimmendes Raunen aus der Saalmitte)
Feuilleton: Da ist was dran. Jede Zeile kann eine zu viel sein. Psychologische Studien haben längst gezeigt, dass sich Vorurteile und gefährliche Ideologien ironischerweise auch durch jene verbreiten, die glauben, sie zu bekämpfen. Ich selbst hatte als Kind bei «Mohrenkopf» nicht die leiseste Ahnung, dass das gegen Schwarzafrikaner gemünzt sein könnte - bis mir die politisch Korrekten diesen Zusammenhang erst eingetrichtert haben. Auch beim Spielen von «Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann» dachte doch keiner von uns im Entferntesten an Rassismus.
Inlandredaktor: Hatten wir nicht vor einigen Jahren Blocher als «Tor des Monats» und bis auf die Überschrift demonstrativ eine leere, weisse Fläche gebracht, um ihm nicht ständig Medienpräsenz zu geben?
Marketing: Genau. Worauf aber zig Abonnenten reklamiert hatten, sie würden das teure Abo ganz bestimmt nicht für solche leeren Seiten zahlen. Ich glaube, es kam damals sogar zu einigen Abokündigungen.
(Nervöses Lachen der Aboleiterin)
Ressort Kalauer: Gut. Gar nichts bringen geht nicht. Dann widmen wir diesem Sebastian aber auf jeden Fall nicht mehr als eine «Kurz-Meldung»!
(Gelächter von verschiedener Seite)
Korrektor: Ähem, Tschuldigung, kommt «Kurz-Meldung» jetzt auf den Index der Wortspiele, die nach Verwendung während drei Ausgaben aussetzen müssen?
Blattmacher: Nur, wenn es auch publiziert wurde. Hat ja jetzt noch nicht den Raum verlassen.
Wien-Korrespondent: Apropos, ist der Ausdruck «Kurz-sichtige Politik» eigentlich bereits wieder freigegeben?
Gagschreiber: Ach menno, keine Nazivergleiche, keine Wortspiele, da können wir ja hier gleich aufhören. Die Leute lesen uns doch, um schmunzeln zu können!
Edelfeder: Trotzdem stellt sich doch die Frage, ob wir es uns nicht viel zu einfach machen, wenn wir den europaweiten Erfolgen rechter oder nach rechts rückender Parteien begegnen, indem wir überall Hitler-Schnäuzchen aufmalen und sie versuchen lächerlich zu machen. Das reicht nicht.
(Die Tür öffnet sich nach kurzem Klopfen)
Putzfrau: Suldiguh, Chef mich gerufe solle Kurz’ braune Flecken machen weg.
(Schallendes Gelächter, Putzfrau erschrocken und verständnislos)
Putzfrau: Habe ich gesagt was falsch? Nur kurz die braune Flecke voms Kaffeebecher auf Tischsitzungs …
Stagiaire: Wurde eigentlich schon entschieden, wer die Geschichte überhaupt schreiben soll? Die Putzfrau vielleicht?
Chefredaktor: Ist bereits erledigt. Herzlichen Dank an alle für die Mitarbeit.