Wenn 8647 kritische Zeitgenossen irren

Simon Enzler | veröffentlicht am 02.11.2017

Laut einer Umfrage von ‹20 Minuten› antworteten 68 Prozent von 8647 kritischen Zeitgenossen auf die Frage «Glauben Sie, dass das SRF und gebührenfinanzierte Lokalsender für unser Land wertvoll sind?» mit «Nein, der Gesellschaft ginge es ohne SRF genauso gut wie mit.»

Wenn 8647 kritische Zeitgenossen irren
(Nebelspalter)

So, und nun lesen Sie bitte diese ersten drei Zeilen noch zwei, drei Mal durch und finden den … - nun, Fehler ist wohl nicht das richtige Wort, denn es ist davon auszugehen, dass die ziemlich offensichtliche Ungereimtheit doch ziemlich bewusst zur «Ab­­­stimmung» gebracht wurde. - Ein bisschen Spitzfindigkeit sei an dieser Stelle erlaubt.

Überraschend ist hier nicht, dass sich rund 5880 Menschen finden liessen, die im Schutze der Anonymität ihre Absicht äusserten, unseren Staatskanälen den Stecker zu ziehen. Interessanter ist vielmehr, dass genau diese 5880 Menschen sich gleichzeitig dafür ausgesprochen haben, nicht das geringste Problem zu haben mit gebührenfinanzierten Lokalsendern. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie die ersten drei Zeilen noch ein viertes und fünftes Mal, bis Ihnen dann hoffentlich die Gebührenmünze fällt.

Die Frage war ja, ob man glaube, dass das SRF und gebührenfinanzierte Lokalsender für unser Land wertvoll seien. Die Antwort bezog sich aber lediglich auf das SRF! «Nein, der Gesellschaft ginge es ohne SRF genauso gut wie mit.» Sprich ausschliesslich gebührenfinanzierte Lokalsender sind wertvoll für unser Land.

Laut dieser Umfrage geht es also nicht darum, dass der gebeutelte Steuerzahler ein Problem hat mit Gebühren per se, sondern nur wenn diese in staatlichen Kanälen verheizt, verkocht, verjasst, verschwungen, verjodelt, verkilchspergert und verhartmannt werden. Was aus lokalen Röhren tröpfelt und quasselt, ob Katzen gebührenpflichtig aus Bäumen gerettet werden oder Vereinspräsidenten neue Uniformen segnen lassen, dafür wird gern, aus Überzeugung und vor allem gebührend gezahlt.

Dafür werden sogar die wenigen wirklich geschätzten und unbestrittenen Steckenpferde gnadenlos zum Metzger geführt. Nationale Grundpfeiler der Informationsvermittlung würden ohne Wimperzucken die Kanäle runtergespült: Tagesschau, Schweiz aktuell, Rundschau, Eco, 10 vor 10, Echo der Zeit oder auch die Siesta Visite (eine radiophone Notaufnahme mit angeschlossener Geriatrie): Und alles einzig zu dem Zweck, dass die Welt lokal betrachtet und verstanden werden soll. Respektive, wenn einem die Local News genügen, wen interessiert dann noch die Welt?

Stellen Sie sich vor, es ginge bei der ganzen Billag-Debatte nicht um Information, sondern um Strassen. Dann wird die Brisanz vielleicht ein bisschen deutlicher. Stellen Sie sich vor, man wollte per Abstimmung die Gebühren für die Nationalstrassen zugunsten der Überland-, Wald- und Wiesenwege umverteilen. Hand aufs Herz, diese pittoresken und lokalen «Schleichwege» sind schlicht nicht ausgelegt für so eine hohe Frequenz nationaler Bedürfnisse.

Schliesslich noch ein Wort zur Frage, wie es denn eigentlich der Gesellschaft geht. Denn davon war ja in der eingangs zitierten Umfrage die Rede. «Nein, der Gesellschaft ginge es ohne das SRF genauso gut wie mit.» Sprich, ob wir das staatliche Radio und Fernsehen mit Geldern finanzieren, die man sich hart erarbeitet, ja vom Mund abgespart hat, hat auf die Befindlichkeit der Gesellschaft, sprich jedes Einzelnen, keinen Einfluss. Es ist irrelevant, oder um es im volksnahen Jargon der Lokalpresse auszudrücken: Es ist «scheissegal».

Wenn es uns allen also so gut geht, dass es keine Rolle spielt, ob wir die Billag zahlen oder nicht, wieso sollte man es dann nicht einfach tun? Das wäre doch mal eine gebührende Umfrage.

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