
Ich habe für Sie eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte zuerst: «Die heute 87-jährige Heidi O’Connor hat Sie wegen sexueller Belästigung angeklagt.»
«Wann soll das gewesen sein?»
«Vor 67 Jahren.»
«Ich kenne keine Heidi O’Connor!»
«Als junge Frau hiess sie damals noch Grendelmeier. Sie waren früher ihr Tennislehrer und haben sie angefasst.»
«Wo?»
«An den Knien und auch weiter ob...»
«Nein, ich meine an welchem Ort?»
«Das Gebäude steht nicht mehr, es müsse die Garderobe des Tennisclubs gewesen sein.»
«Ach so. Wie sah sie denn aus?»
«Daran kann sie sich nicht erinnern. Ist ja auch schon eine Weile her.»
«Sie hat doch sicher ein Foto von damals!»
«Wer fotografiert schon eine Tennisplatz-Garderobe.»
«Nein, ich meine von ihr damals, als sie noch jung war, vielleicht kann ich mich erinnern.»
«Ja, selbstverständlich, hier, etwas vergilbt, aber noch gut erhalten, das Foto.»
«Hübsch. Aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer das sein soll!»
«Jedenfalls, diese Frau hat Sie sofort wiedererkannt.»
«Wie wiedererkannt, hat sie ein Foto von mir als ich – Moment, als ich 26 war?»
«Ja, hat sie, Sie sähen immer noch gleich aus; nur mit etwas weniger Haaren. Der Schock sitzt tief!»
«Wann hat sie mich denn gesehen?»
«Als Sportkommentator war Ihr Gesicht doch lange in allen Zeitungen und am TV zu sehen. Sie hätten immer noch denselben lüsternen Blick.»
«Den könnte ich jetzt noch bekommen, wenn ihr Foto farbig und schärfer wäre.»
«Diese Bemerkung trägt nun aber kaum etwas zu Ihrer Entlastung bei; achten Sie darauf, was Sie sagen! Andere Frauen haben sich zusammengetan, um eine Sammelklage einzureichen. Frauen, die Sie auf dieselbe Weise belästigt haben könnten.»
«Frauen, denen ich auch ans Knie gefasst haben soll?»
«Unterschiedlich weit oben.»
«Wie weit oben ist da gemeint und weshalb klagt denn nicht jede einzeln für sich, wenn doch die Berührungen bei den verschiedenen Schenkeln mehr oder weniger übergriffig waren?»
«Ersparen Sie sich solche rhetorischen Fragen. Sie wissen genau, was gemeint ist mit oben.»
«Es könnte auch die Brust gemeint sein.»
«Könnte, ja!»
«Oder nur die Oberschenkel!»
«Was wohl auch als sexuelle Belästigung gewertet werden müsste!»
«Es könnte ja auch eine Massage gewesen sein, als zusätzliche Dienstleistung sozusagen; als Tennislehrer machte ich das oft, als Gefälligkeit!»
«Pah, reine Gefälligkeit! Die Frau hat das jedenfalls als Belästigung empfunden!»
«Das ist ihr Problem. So, wie ich mich daran erinnere, hatte ich damals überhaupt nicht den Eindruck, dass die Frauen das als Belästigung empfanden. Habe ich vielleicht bei ihr zu fest gedrückt beim Massieren oder was?»
«Daran können Sie sich also erinnern.»
«Es waren ja immerhin Schenkel!»
«Sie sollten sich Ihre sexistischen, Sie belastenden Bemerkungen ersparen!»
«Was ist mit den anderen Frauen, die ich in diesem Fall ja auch belästigt haben soll?»
«Das dauert noch eine gewisse Zeit, bis sie sich abgesprochen haben.»
«Aber wenn das noch mehrere Tage geht, erinnern sie sich immer weniger und es kommt zu Falschaussagen.»
«Im Gegenteil, je länger es dauert, umso besser wird die Erinnerung.»
«So, jetzt lassen Sie mal die Katze aus dem Sack, was ist denn die gute Nachricht?»
«Sammelklagen sind in der Schweiz gar nicht möglich und Frau Heidi O’Connor ist gestern verstorben.»