
Liebe Leserinnen und Leser,
eines der ganz grossen Themen am diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos war – das mag aufgrund des Besuchs von US-Präsidentendarsteller Donald Trump etwas erstaunen – nicht etwa «natürliche Dummheit», sondern «künstliche Intelligenz».
Künstliche Intelligenz? Ist das nicht eines dieser Dinge, über die wir schon seit Jahrzehnten in optimistischen Berichten lesen können, dass sie in unmittelbarer Zukunft zu unserem Alltag gehören werden – wie beispielsweise auch Strom aus Kernfusion, fliegende Autos, holografische Fernsehgeräte oder bürgerfreundliche Behörden?
Experten und auch Weltuntergangspropheten versprechen aber: Diesmal gilt es ernst! Während wir uns im Science-Fiction-Paralleluniversum längst an «R2-D2»,
«Terminator», «Wall-E» gewöhnt haben, steht in der realen Gegenwart die Revolution unmittelbar bevor. Computer und Software sind ab sofort nicht mehr einfach nur so gut und schnell, wie wir sie gebaut und programmiert haben. Nein, sie sind ab sofort selbstlernend und entwickeln und verbessern sich eigenständig weiter.
Und das wird Folgen haben. Während bisher vor allem repetitive Tätigkeiten durch Roboter und Computer ersetzt wurden, könnte über kurz oder lang praktisch jeder Job auf der Liste der bedrohten Berufsbilder landen. Da wird der Schornsteinfeger genauso vom Kaminator abgelöst wie der erfahrene Chefchirurg vom ermüdungsfreien Robodoc.
Am wenigsten um ihre Zukunft zu sorgen brauchen sich derzeit jene weltweit schätzungsweise 10?000 IT-Spezialisten, die das Zeug haben, der künstlichen Intelligenz endgültig zum Durchbruch zu verhelfen. Sie werden aktuell von den milliardenschweren Grosskonzerneen mit zweistelligen Millionengehältern geködert und oft noch vor dem Uni-Diplom abgeworben. Millionengehälter, die zweifellos Vorteile haben, ist der Jobmarkt für Menschen erst einmal implodiert. Denn am Ende der Wende werden diese 10?000 Spezialisten mit ähnlich gemischten Gefühlen auf ihre Arbeit zurückblicken wie eine stellenlose Coop- oder Migros-Kassiererin, die in den letzten sechs Monaten ihrer Anstellung noch die Kunden im Umgang mit den Self-Scanning-Stationen betreuen durfte.
Sollten sich unter den Lesern dieses Editorials bereits autonome Lektüre-Roboter befinden: Für einen möglicherweise etwas technologiefeindlichen Grundton in diesem Text bitten wir um Entschuldigung – die Algorithmen unserer Pointensoftware befinden sich noch in der Beta-Phase.