
Es ist mir etwas peinlich, aber ich muss an dieser Stelle gestehen: «Ich bin pornosüchtig!» Nicht nach diesen unnatürlich verrenkten, genitalfixierten gynäko- sowie urologischen Detailstudien. Ich bin süchtig nach Foodporn.
Jedes Schnitzel-Pommes-Gericht wandert erst in die sozialen Medien, bevor es seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt wird, durch mich hindurchzuwandern. Um dort dazu beizutragen, Speckröllchen auf den Hüften wachsen zu lassen. Das Problem besteht darin, dass für den Unvernunftsesser nur schön aussieht, was auch richtig speckig ist. Speck beispielsweise, Rollschinkli oder eine sich in Zwiebelsauce suhlende Schweinsbratwurst. Besondere Freude an meinen Foodporn-Bildern hat meine Mutter, die bis zu ihrer Pensionierung in einem Fleischgrosshandel arbeitete. Damit sie sieht, wie ich mich vernünftig ernähre, haben wir einen Gruppen-Chat eingerichtet. Besonders schöne Motive druckt meine Mutter jeweils und stellt sie im Flur aus, der eine Art lukullische Wandelhalle ist. Nun, damit könnte bald Schluss sein.
Der Mensch soll sich zukünftig nicht mehr auf das Tier stürzen, sondern auf das Insekt. Frage mich, ob Gott das so gewollt hatte, als er Moses für sein erstes Kapitel
diktierte: «Machet euch die Erde untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über alles Lebendige!» Möglich, er dachte dabei
an grillierte Sardinen, Coq au Vin oder Rindsroulade. Ich würde es in jedem Fall machen. Doch zumindest die Bibelfesten haben es bereits gemerkt, das Zitat endet nicht da, wo es sollte, sondern mit den Worten: «… über alles Lebendige, was auf Erden kriecht!» Also damals schon!
Wir haben es, zumindest im Abendland, 2000 Jahr lang ganz erfolgreich verdrängt, alles in die Fritteuse zu hauen, was in der Küche gerade so über den Boden
spaziert. Bis vor wenigen Jahren wurde bei uns eine Kakerlake noch mit Insektenspray zur Strecke gebracht oder man trat ganz einfach drauf. Verdammt zäh die Dinger. Meist muss man ein paar Mal drauftreten und den Fuss links und rechts drehen, bis der Chitinpanzer geknackt ist. Heute lässt der Koch dem Ungeziefer ein wohliges Bad in einer Marinade zukommen und statt auf den Müll, schmeisst er das Ungeziefer auf einen Teller und serviert es als hippe Vorspeise.
Doch so kann es von Gott nicht gewollt sein. Denn immerhin gehörten Insekten zu den beliebteren Plagen, die er über die Menschheit hereinbrechen liess. Stech-
Mücken und -Fliegen schickte er und natürlich Heuschrecken, die heute ganz oben auf der Delikatessenliste stehen. Aber die Insekten waren eine Strafe und nicht gedacht, den Welthunger zu stillen. Genauso wie die Frösche. Das haben die meisten Menschen gemerkt, bis auf die Franzosen.
Aber zurück zu den Heuschrecken. Im weiteren Sinn stellt sich die Frage, ob das Essen von langbeinigen Protein-Eiweiss-Hüpfern nicht an Blasphemie grenzt. Zumindest ist es eine Zweckentfremdung. Das ist ebenso, wie wenn man dem Henker die Peitsche aus der Hand nimmt und sich freiwillig …, womit wir wieder beim Anfang dieses Textes wären. Wobei Folter wohl das wäre, was meine Mutter empfinden würde, wenn ich ihr plötzlich Bilder von grillierten Heuschrecken, gerösteten Mehlwürmern oder Wespen in Sojasauce schicken würde. Ihre Schlemmergalerie im Flur verkäme zum Vorhof der Hölle.
Der einzige Grund, die Ernährung auf Insekten umzustellen, wäre wohl die Gesundheit. Was die Kalorien betrifft. Dafür steigen die Stresshormone beim Essen an. Man stelle sich vor, der Kellner serviert einen Salatteller und während man darauf wartet, bis alle am Tisch bedient sind, fängt das Insekt schon an zu fressen. Ein Wettlauf gegen die Natur.