Scheiss-Frühling: Blütengier schlägt Penisneid

Marco Ratschiller | veröffentlicht am 08.05.2018

Scheiss-Frühling: Blütengier schlägt Penisneid
Swen (Silvan Wegmann) | (Nebelspalter)

Da sind sie endlich wieder – diese Tage, an denen man im Freien an der wärmenden Sonne weilt, umschmeichelt vom sanften Lufthauch des Frühlings, angetan vom betörenden Duft des blühenden Flieders, berauscht vom Summen emsiger Bienen, bezirzt vom gaukelnden Flug der Schmetterlinge. Und immer dann – ja dann packt einen diese unbändige Wut, nicht? Was hat sich die Evolution da nur gedacht! Vor unseren Augen liebt und mehrt sich Spezies für Spezies in unbeschwerter Natürlichkeit – und selbst steht man da, so als Mensch, mit seiner völlig verkorksten, komplizierten Sexualität. Ist doch einfach Kacke.

Wenn der eigentliche Sinn des Lebens die Weitergabe desselben ist, warum denn ist unser Triebleben so unerträglich durchsetzt von angeborenem Schamgefühl, unterdrückten Fantasien und gesellschaftlichen Normen? Und schauen Sie, egal ob als Mann oder als Frau, doch einfach mal nackt an sich runter: hier ein schrumpeliger Schlauch, dort zwei in Fettgewebe gepolsterte Milchdrüsen. Na ja. Und jetzt vergleichen Sie das mal mit der Farbenpracht, der Symmetrie und dem Duft einer Blumenblüte. Genau, wir reden von den Geschlechtsorganen einer Pflanze. Perfekt, nicht? Jedenfalls kein Wunder, dass Hummeln und Schmetterlinge voll darauf abfahren. Andererseits ist man als Mensch wohl auch ganz froh, wenn untenrum nicht ständig Bienen rumkrabbeln.

Dennoch sollte sich die Psychoanalyse mal ernsthaft mit dem Begriff Blütenneid befassen. Warum beschenken wir uns gegenseitig dauernd mit all diesen lasziven Kelchblättern, Fruchtknoten und Stempeln? Ist eigentlich noch niemand auf den Gedanken gekommen, dass nicht wir die Krone der Schöpfung sind, sondern das Grünzeug draussen im Garten? In der Schöpfungsgeschichte kreierte Gott die Pflanzenwelt ganze drei Tage früher als Tier und Mensch. Dämmert da was? Kein vernünftiger Schöpfer würde das Wichtigste erst am Ende erledigen – also erst dann, wenn er müde ist und die Knetmasse langsam zur Neige geht. Die Wahrheit ist: Gott schuf die Blütenpflanze nach seinem Ebenbild – und beschloss daraufhin, diesen vollkommenen Kreaturen sogar die Last der Fortpflanzung abzunehmen, indem er Insekten und Wirbeltiere als willige Pollenpaketboten und Samenverteiler einsetzte.

Wo wir schon dabei sind: Auf die Idee, den grassierenden Heuschnupfen als Eifersuchtsreaktion sexuell Frustrierter auf die opulente Blustorgie der Pflanzenwelt zu betrachten, ist vermutlich noch kein Wissenschaftler gekommen, oder? Ernsthaft, manchmal ist es der ‹Nebi› echt leid, immer die wichtigen Impulse zu drängenden Zeitfragen liefern zu müssen. Gesundheit!

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