But und Göse

Lisa Catena | veröffentlicht am 13.06.2018

Wenn der Anarchist am 1. Mai einen BMW anzündet, dann ist das dem Kapitalistenschwein ziemlich egal. Der Kapitalist von heute macht nämlich Car-sharing, weil er erstens Geld spart und weil zweitens «grün» und «sharing economy» die geileren Statussymbole sind.

But und Göse
(Nebelspalter)

Ein BMW fährt doch heute höchstens noch ein türkischer Secondo. Und disen will der Anarchist vermutlich nicht treffen, ist der doch der letzte Rest des Proletariats, der dem Anarchisten im durch und durch kapitalistischen Zürich noch geblieben ist. Spätestens dann, wenn sich der schwarze Block per Facebook organisiert und die Häuserbesetzer ihre Zimmer auf Airbnb vermieten, muss der Kampf gegen den Kapitalismus als gescheitert angesehen werden.

Das ist der Moment, wo ich gerne hämisch über den armen Anarchisten lachen würde. Aber ich kenne sein Dilemma. Mir ging das neulich ähnlich: Ich bin ja ein WWF-Fan, seit ich zum sechsten Geburtstag eine Kindermitgliedschaft und einen Pandabären aus Plüsch geschenkt bekam. Ich schloss den schwarz-weissen Bären auf der Stelle ins Herz. «Nicht ohne meinen Panda», wurde mein Motto. Ohne ihn schlief ich nicht ein und waschen musste ihn meine Mutter heimlich, wenn ich draussen am Spielen war. Mein Berufswunsch war ab sofort: WWF-Chefin. Ich gab ein eigenes, selbstgeschriebenes und – gezeichnetes WWF-Magazin heraus. Inklusive eines Verzeichnisses von örtlichen Tierquälern: «Herr Wehrli (Niesenweg 55) schrie heute seinen Schäferhund Lutzi lauter an als seine Frau. Weiter beobachten», stand da beispielsweise. Das Magazin musste meine gesamte Verwandtschaft für zwei Franken fünfzig abonnieren. Meine WWF-Obsession erreichte den Höhepunkt, als ich mein Kinderzimmer zur WWF-Kommandozentrale umstellte und drei imaginäre Tierpfleger einstellte, die mir den ganzen Tag Pandabären anschleppen mussten, damit ich sie pflegen konnte.

Meine Eltern sahen sich gezwungen zu intervenieren. Ich kriegte ein Pflege-Pony. Meine Sympathie für den WWF ist allerdings geblieben. Bis ich neulich die Doku «Der Pakt mit dem Panda» sah. Ich war echt entsetzt. «Mein» WWF ist nicht nur süs­ser Pandabär und Königstiger, sondern auch Handlanger von Umweltzerstörern wie Syn­­genta und Monsanto. Diesen Firmen er­möglicht er, durch vom WWF ab­gesegnete fragwürdige Zertifizierungen, die Zerstörung der Regenwälder für billiges Palmöl. Nicht nur der Wohnraum vieler Tiere wird dabei komplett zerstört, sondern auch der einiger indigener Völker. Der WWF ist ein Wolf im Panda-Pelz und hilft den ekligen Firmen ganz konkret bei ihrem «Greenwashing», dem ökologischen Ablasshandel, um – geschützt vom grünen bzw. schwarz-weissen Panda-Mäntelchen – ungestört Natur und Lebensräume zu zerstören.

Ich war bitter enttäuscht. Die Guten entpuppen sich plötzlich als die Bösen und die Bösen taugen nicht mehr als Böse. What a time to be alive! Dabei sind Feindbilder doch so wichtig. Für die eigene Identität und auch für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Was wäre denn Gott ohne den Teufel? Liebe und Barmherzigkeit treiben nicht hunderttausende Menschen sonntags in die Kirche. Die Angst vor dem Teufel ist es. Was wäre James Bond ohne den Bösewicht? Ein langweiliger Funktionär im Grossraumbüro beim britischen Geheimdienst. Ein Polizischt Wäckerli im Smoking.

Klar ist nur noch: Die Welt steht Kopf. Plötzlich gewinnen Deutsche Comedy-Preise, und England bringt Meisterköche hervor. Der Papst segnet einen Lamborghini und YB wird Schweizermeister. Auf was bitteschön ist da noch Verlass? Fehlt nur noch, dass die Schweiz einmal den European Song Contest gewinnt. Und ein Jamaikaner das Lauberhornrennen! Dass Italien auf einmal eine funktionierende Regierung hat und Silvio Berlusconi wieder … – Moment, anderes Thema. Gott sei Dank haben wir wenigstens noch ein solides, zuverlässig funktionierendes Feindbild: Donald Trump. Und natürlich den FC Basel.

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