Kurzschluss

Hans Suter | veröffentlicht am 05.07.2018

Der exemplarische Kampf um mehr Ökologie, zeigt sich in E-Autorennen und beweist, Ökologie muss nicht zwingend spassfrei sein.

Kurzschluss
Freimut Woessner | (Nebelspalter)

Für einmal mussten Linksgrüne und die SVP von ihren Hauptkompetenzen etwas ablassen. Strassen in Zürich wurden wochenlang okkupiert und nötigenfalls aufgepflastert für das erste Formel-E-Rennen auf Schweizer Boden. Hoch oben wurden Sitzplätze für VIPs gebaut. Was im Weg stand, wurde weggeräumt. Auch die Bäume durften gefällt werden – es waren wie immer, wenn Bäume gefällt werden, kranke Exemplare. Die Tribünen für die VIPs übrigens wurden aus Holz gebaut; diese sassen oben auf den nachhaltigen Tribünen und konnten von ihren teuren Plätzen auf die unten vorbeifahrenden Boliden und auf das gemeine Volk hinter den Absperrgittern schauen.

Dort stand auch Walter und schaute durch die Gitterstäbe, wie irgendetwas Blaues vorbeizischte und dann noch eins und noch eins. Die meisten hier unten waren ganz fröhlich und schrien etwas, was die Fahrer jedoch nicht hören konnten. Aber wie immer musste Walter genervt feststellen: Ein paar Autohasser hatten trotz aller ökologischen Bemühungen wieder etwas auszusetzen, schwafelten von Tropenholz, aus dem die Tribünen gebaut seien, und von den Batterien der Rennwagen, die schwer oder gar überhaupt nicht zu rezyklieren seien, und der Strom käme aus Kohlekraftwerken. Oder sogar aus Generatoren, die mit Diesel betrieben würden. Soll der Strom, dachte Walter, denn etwa aus Atomkraftwerken kommen, hä?

Wenn er später auf der Autobahn nur noch mit einem Elektroauto fahren würde, bräuchte er kein schlechtes Gewissen mehr zu haben, wenn er pro Jahr 30?000 Kilometer unterwegs sein würde, und die ewigen Stänkerer könnten endlich die Klappe halten, dachte er. Woran er zwar nicht glaubte. Die würden kritisieren: Durch das Wegfallen des schlechten Gewissens würden sechs- bis achtspurige Autobahnen nötig und auch gebaut. Ja und, ist ja längst fällig!

Ein Problem hatten die Veranstalter: Wie soll ein Grossanlass stattfinden, wenn man ihn kaum wahrnimmt, weil nichts zu hören ist? So richtig Spass kann ohne heulende Motoren gar nicht aufkommen. Dieses Problem fand Walter, wurde kongenial gelöst: Man liess den ganzen Tag oben in der Luft Helikopter mit dröhnenden Motoren, vor allem über dem Strandbad Mythenquai, ihre Runden drehen, sodass die unten, die Sonnenbadenden und Schwimmenden, am Feeling dieses ökologischen Grossanlasses teilnehmen konnten. Wer keine Eintrittskarten mehr bekam, konnte weitere zwei Wochen all die schönen Holzkonstruktionen von unten anschauen und so an der Demonstration der ökologischen Zukunft teilhaben. Und Arbeitsplätze hat es auch gegeben, meinte Walter.

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