Schluss mit Boreout

Ralph Weibel | veröffentlicht am 13.08.2018

Das endlose Nichtstun hat ein Ende, auch für die Lehrerschaft. Vorbei die Zeit der Erklärungen, als die unterreichtsfreie Zeit gerechtfertigt werden musste.

Schluss mit Boreout
(Nebelspalter)

Endlich! Endlich der erste Schultag! Eine Erlösung für alle Lehrerinnen und Lehrer. Vorbei ist die lange Zeit der Ferien, in denen sich der Lehrkörper leer fühlte. Der einzige Inhalt, an endlosen Grillabenden im Freundeskreis, umgeben von Menschen, die trotz Gluthitze täglich zur Arbeit gehen mussten, weil die zwei Wochen Ferien schon Mitte Juli zu Ende waren, bestand darin, sich zu erklären. «Ich habe keine Ferien, sondern unterrichtsfreie Zeit», ist der häufigste Satz von Lehrkörpern um sich für das jährlich 12-wöchige Faulenzen zu rechtfertigen.

«Dummheit ist lernbar»

In der Tat wurde an einem Nachmittag, dem einzig regnerischen, eine Buchhandlung nach pädagogisch hilfreicher Literatur durchforstet. Die Entsorgung von Jürg Jegges Standartwerken «Dummheit ist lernbar. Erfahrungen mit <Schulversagern>» und «Die Krümmung der Gurke. Menschen – nicht stapelbar» aus Pietätsgründen, hatte Lücken in die hauseigene Bibliothek gerissen. Danach konzentrierte sich die unterrichtsfreie Zeit darauf, die schwurblige Erziehungsliteratur zur Seite zu legen. Endlos schleppten sich die unterrichtsfreien Wochen dahin und drohten den Lehrkörper in ein Boreout zu treiben. Dies wurde lediglich durch drei Wochen in der Toscana, dem Campieren im alten VW-Bus im Unterengadin und dem freiwilligen Kuchenbacken für das jährliche Sommerfest der Schrebergarten-Freunde, dem freiwilligen Umschichten des  Quartier-Komposthaufens oder dem abgebrochenen Versuch, die Kompetenz für den Lehrplan 21 zu entwickeln, verhindert.

Nesspresso-Kaffee

Doch die Nutzlosigkeit des Seins findet mit dem ersten Schultag ein Ende. Endlich darf sich der Lehrkörper wieder mit dem Bilden der Gesellschaft befassen. Im Lehrerzimmer wird stundenlang über die Anschaffung einer neuen Nespresso-Kaffeemaschine diskutiert, was ein Teil unabdingbar, der andere aus Protest gegen die weltumspannende Vormachtstellung von Nestlé unverantwortbar und ein anderer aus ökologischer Sicht schwachsinnig findet. Zur Lösung des Problems wird ein ausserordentlicher Konvent beschlossen. Einen solchen gibt es bereits für den Umgang mit Helikopter-Eltern, die schmerzfreie pädagogische Daumenschraube, den Umgang mit Sexting auf dem Pausenplatz, das Kopftuch- Dächlikappen- und allgemeine Verhüllungs-Verbot, dem grassierendem Enthüllungs-Wahn der Generation lol, Schwimmunterricht für Wasserscheue, #metoo, die Integration von islamischen Kindern ins Krippenspiel und die Diskriminierung des Pausenapfels.

Verständlich treibt das jeden Lehrkörper ins Burnout. Aber nur fast! Schon bald sind wieder Ferien. Schneller als man glaubt, droht wieder Boreout. Der Lehrkörper hat sich diese verdient.

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