Rassismus unter Schafen

Alfred Dorfer | veröffentlicht am 31.08.2018

Im Sommer ist die Luft dünn. Ebenso die Themenvielfalt, also muss man Aufreger erfinden. Die Wiener Linien lancierten eine Werbekampagne gegen den Verzehr von stark riechendem Essen in der U-Bahn. «Stark riechend» ist wohl der zeitgemäss-korrekte Ausdruck für «stinkend». Ein origineller Spruch in diesem Zusammenhang lautet: «Alle Fahrgäste machen die U-Bahn ein wenig schöner. Nur nicht Rudi, der isst Döner.»

Rassismus unter Schafen

Ja, die allgemeine Verständlichkeit und literarische Ausgefeiltheit müssen nicht immer Hand in Hand gehen. Auf dem Plakat sieht man zwei weis­se Schafe, leicht pikiert, sowie ein schwarzes, das offenbar Rudi heisst und einen Döner verzehrt. Nun erheben sich Rassismus-Vorwürfe gegen die Verkehrsbetriebe. Nicht etwa, weil Schafe besser keine Döner essen sollten, sondern weil Rudi eben schwarz ist. Zudem wird bemängelt, dass es um Döner und nicht um Leberkäsesemmeln geht. Nun sind aber leider nicht alle Döner-Aficionados Türken, wie auch nicht alle Spaghettifresser Italiener sind. Das alles klingt nach Wärmetod des Denkens in diesen Hundstagen. Dieser Begriff soll weder unsere liebsten Haustiere beleidigen noch jene Ethnien, die Hunde als unrein empfinden. Das wirkliche Problem dieser Kampagne ist, dass unser Hausschaf ungefragt und vermutlich ohne Gage für Werbezwecke missbraucht wird. Pauschal werden die schwarzfelligen Vertreter dieser nützlichen Rasse als Fleisch fressender Pöbel verunglimpft. Das ist Rassismus. Eindeutig, denn hier wird eine Rasse, das gemeine Hausschaf nämlich, sozusagen über einen Kamm geschoren. Und dieser Kamm wiederum dient den Schafen ohne Pelz als Polarisierungsmittel.

Nicht zuletzt deshalb fühlen sich manche an eine Schweizer Anti-Ausländer-Kampagne erinnert, die ebenfalls mit einem schwarzen Schaf arbeitet. Das allerdings wiederum ist Schwarzmalerei, wenn dieser Begriff gestattet ist. Denn hierbei ging es eindeutig um die Darstellung der abzulehnenden Andersartigkeit.

Bei unserem U-Bahn-Döner-Rudi ging es lediglich um die Ausgrenzung von rücksichtslosem Verhalten. Das ja wiederum rassenübergreifend zu sein scheint, wie bei der Schweizer Agitation mit den schwarzen Schafen zu sehen war. Interessant dabei und traurig zugleich ist der Aspekt der Dummheit, die einerseits an den Tag gelegt wird und gleichzeitig vom Wahlvolk erwartet wird. Leider partiell zu Recht, wie zahlreiche Urnengänge beweisen.

Aber zurück zum Schaf-Skandal: unsere Konservativen, welche man ja gemeinhin als «die Schwarzen» bezeichnet, hatten mit dem Döner-Schaf übrigens kein Problem. Das Verkehrsunternehmen hingegen schon. Denn dieses musste sich schwarz auf weiss (hier stimmt die Hierarchie des politisch Korrekten nun wieder, obwohl schwarz vorkommt) vom Rassismus reinwaschen.

Dennoch wollte es aber das Schaf-Plakat in doppeltem Sinne nicht aus dem Verkehr ziehen. Und damit war die Krise prolongiert und diese Posse erreichte schliesslich auch die Politik. Denn unsere marginalisierten Grünen, deren Rassismus-Detektor stets hypersensibel eingestellt ist, versuchten dadurch etwas Wind in die eigene Flaute zu bringen. Und taten mit umgekehrten Vorzeichen genau das, was sie der Schweizer Initiative zu Recht vorwarfen. Nämlich billiges politisches Kleingeld zu wechseln durch unverantwortliche Pauschalisierung und Trivialisierung.

Leider lässt sich diese Wirrnis nicht allein auf die allzu hohen Temperaturen zurückführen. Es zeigt vielmehr, wie ein enorm wichtiges Thema durch eine überhitzte Dummheit so lange nivelliert wird, bis es tatsächlich niemanden mehr interessiert. Vielleicht, weil das alles zu sehr nach Selbstdarstellung stinkt. Oder stark danach riecht, wie man jetzt so schön sagt.

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