Sympathie für den Teufel

Ralph Weibel | veröffentlicht am 31.08.2018

Der Pakt mit dem Pack hat Tradition in der Welt. Geschlossen wird er für gewöhnlich zwischen Gut und Böse, oder was wir gemeinhin dafür halten. Wenn am Schluss das Gute gewinnt, hat sich der Pakt gelohnt. Doch ohne Flirt mit dem Teufel geht das nicht.

Sympathie für den Teufel
Carlo Schneider | (Nebelspalter)

Der wohl mächtigste Mann der Welt ist wie ein Unfall auf der Autobahn oder eine eingestürzte Brücke in Italien. Eigentlich möchte man nicht hinsehen, macht es aber trotzdem, graust sich und hätte lieber nicht hingesehen. Bei der Brücke macht man es, weil man irgendwann, kürzlich, um genau zu sein in den vergangenen Sommerferien, über ebendiese ehemalige Brücke gefahren ist und unweigerlich der Gedanke aufkommt, man sei dem Teufel mal wieder vom Karren gesprungen. Bei Trump macht man es, weil es nicht anders geht. Die Flut an menschenverachtenden Tweets, sexistischen Weisheiten und peinlichen Auftritten aller Art ist derart gross, man kann sie nicht von der Menschheit fernhalten und schon gar nicht von sich selbst.

Das ist wie mit dem Wetter, wir müssen damit leben, ob es uns gefällt oder nicht. Oder wir wandern aus. Wir könnten allenfalls ein Land auswählen, welches einigermassen sichere Brücken baut, aber Trump ist wie der Klimawandel, an den er selber nicht glaubt, er ist global und wir müssen damit umgehen, ob wir wollen oder nicht. Und irgendwie müssen wir den Rolling Stones recht geben, die schon vor 50 Jahren – ja, es ist erschreckend, aber wirklich schon so lange her – in «Sympathy for the Devil» feststellten, in jedem Menschen wohne ein Teufel, auch wenn er im Anzug daherkommt.

Grössenwahn
Genauso fassungslos wie Trump schauen wir dem türkischen Sultan Erdogan zu, wundern uns und während wir Schweizer unsere Konsequenzen ziehen und die All-inclusive-Ferien nicht mehr in Belek buchen, sondern ins Engadin wandern gehen, hat Europa ein grös­seres Problem. Sie hat als NATO-Partner einen Pakt mit dem Teu?…, verzeihen Sie den Verschreiber, mit dem türkischen Alleinherrscher. Leider lässt sich die Flüchtlingsfrage nicht ohne Erdogan lösen, weder im Mittelmehr noch an der syrischen Grenze. Das weiss Erdogan und deshalb erlaubt er sich mehr, als seinem Grössenwahn zusteht. Wir reiben uns die Augen angesichts der Erfolge die er verbucht und wie er internationales Recht mit Füssen tritt, siehe das Beispiel des deutschen Journalisten Deniz Yücel, den Erdogan ein ganzes Jahr ohne eine Anklage im Gefängnis schmoren liess.

Ähnlich bedient er sich des US-Pastors Andrew Brunson, mit dem er versucht, Donald Trump seinen persönlichen Feind Fethullah Gülen abzupressen. Doch das hat dem Präsidenten den standesgemässen Nuggi endgültig rausgehauen. Trump wäre nicht Trump, wenn er als Antwort nicht die Klaviatur der modernen Daumenschrauben – Sanktionen und Strafzölle – spielen würde. Jetzt hat Erdogan den türkischen Salat (meist mit Minze, Zitronensauce, aber das nur nebenbei). Die türkische Lira ist auf Talfahrt und hat seit Jahresbeginn schon über ein Drittel an Wert verloren. Trotzig ruft Erdogan deshalb seinen Anhängern zu: «Wenn sie das iPhone haben, dann gibt es auf der anderen Seite Samsung!» Hat der Mann Probleme. Wer einseitig kommuniziert, braucht kein Smartphone sondern ein Megaphon. Doch die Sache hat auch eine gute Seite. Weil er nicht alleine kann, muss er einen Pakt eingehen. Beispielsweise mit Deutschland. Anders lässt sich die plötzliche Aufhebung der Geiselhaft der Journalistin Mesale Tolu nicht erklären. So versucht Erdogan, eine Brücke zu schlagen, was Trump, diesem Teufelskerl, zu verdanken ist.

Der Brückenbauer
Apropos Pakt, Brücke und – na ja – Teufel. Manchmal ist es gar nicht so schlecht, sich mit dem Bösen zu verbünden. Wir erinnern uns an die Teufelsbrücke über die Reuss. «Do sell der Tyfel e brigg bue», also «Hier soll der Teufel eine Brücke bauen» soll ein Urner Landammann in die Schöllenenschlucht gerufen haben. Der Teufel liess sich nicht zweimal bitten und versprach, er werde ein solides Werk erstellen, zum Preis für eine Seele, jene des Ersten, welcher die Brücke überquert. Die Urner gingen auf den Pakt ein und als der Moment der Erstbegehung gekommen war, schickten sie einen Geissbock über die Teufelsbrücke. Ein schlichtes Kreuz, von einer alten Frau in jenen Felsblock geritzt, den der Teufel in seinem Zorn auf die Brücke werfen wollte, verhinderte deren Zerstörung. Der Teufel hat als Brückenbauer also durchaus seine guten Seiten. Immerhin trotzt die Teufelsbrücke seit dem 13. Jahrhundert jedem Sturm. Da müssen sich italienische Brückenbauer unweigerlich fragen, ob sie nicht auch einmal mit ihm einen Pakt schliessen sollen. Immerhin scheint Mephisto, wie er in Goethes Faust heisst, über wesentlich bessere Referenzen zu verfügen als die italienische Ingenieurskunst: «Ich bin ein Teil von jener Kraft – die stets das Böse will und stets das Gute schafft.»

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