
Schweizweit sind etwa 5000 Pilzarten bekannt. Viele davon sind akut gefährdet, wie der «Rosarote Saftling», oder sie gefährden andere. Allein im Kanton Zürich wurden zwischen 2011 und 2017 über 10'000 Kilo ungeniessbarer und giftiger Pilze aussortiert, darunter 87 Kilo tödlich giftige, zum Teil aus den Verdauungstrakten ungeniessbarer Lebenspartner. In diesem Falle ist das Pilzgericht gefordert.
Statistisch betrachtet vertilgen wir jährlich zwei Eisenbahnwagen voller Pilze. Respekt! Die Pilze allein sind ja schon schwer verdaulich, aber erst die Waggons – vermutlich als Sättigungsbeilage. Weitere Informationen hält dazu die VAPKO bereit, die Schweizerische Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane.
Mit Pilzen sind wir alle gross geworden, im Norden wie im Süden. Es begann mit regem Interesse für die Pilzköpfe aus Liverpool, für Pilzkultur im Allgemeinen, flankiert von jenem Pils, das sich am Ende mit S schreibt. Politisch bogen viele scharf nach links ab und erklärten sich zunächst zum «Rotfussröhrling», dann zum «Austernseitling». Manche ereiferten sich über Atompilze, wieder andere eher über unappetitliche Pilzkrankheiten und lebten in feuchten Wohnungen mit Schimmelpilz. Das Grundnahrungsmittel jener Tage: die Pizza Funghi. Schliesslich kamen die bewusstseinserheiternden Pilze in Mode, die «magic mushrooms». Hierzu meldet eine beliebte Gratiszeitung: «Rückgängig ist neben Speed der Konsum von Zauberpilzen.» Zauberpilzen! Da ist man gleich bei der Zauberformel.
Der Lärchenröhrling
Es ist sicher keine Überraschung, dass die eidgenössische Pilzkultur für viele der einheimischen Politiker eine Entsprechung bietet. Bundesrat Ueli Maurer könnte demnach als «Hoch-thronender Schüppling» geführt werden. Alain Berset, welcher sich gelegentlich für die Musikförderung stark- macht, als «Goldgelber Lärchenröhrling». Das sind keine erfundenen Namen, wohlgemerkt, das sind Pilzarten, die in der Schweiz vorkommen. Passte auf Frau Leuthard wohl eher der «Wohlriechende Schneckling» oder der «Fuchsige Rötelrichterling»? Das muss jeder Politiker natürlich selbst entscheiden. Da wäre dann noch der Johannispilz, umgangssprachlich als Cassis bekannt, und Frau Sommaruga könnte man den «Habichtspilz» zuordnen. Jenseits des Bundesrates könnte einem der «Anhängselröhrling» begegnen, wobei dem Connaisseur gleich Albert Rösti in den Sinn kommt. Würde man Monsieur Levrat zu nahe treten mit dem «Rauchblättrigen Schwefelkopf»? Nicht zu vergessen der Grünstreifige Glättli, der Zetern-Wermuth und das Rasende Rickli, eine Fliegenpilz-Unterart.
Schleimfuss
Auch bei diesem Thema begegnet man indes wieder den gravierenden Unterschieden zwischen der deutschen und der Schweizer Umgangssprache. Manche Pilze tragen im Grossen Kanton völlig andere Namen. Der auch in der Schweiz als Kaiserling bekannte Pilz heisst grosskantonal «Hundsgemeine Beckenbäuerling», rangiert im Ansehen derzeit aber knapp über dem Fusspilz, und der «Blaugestiefelte Schleimfuss» reagiert nördlich des Rheins auf «Lindnerling». Die Begriff Weichei oder Warmduscher findet bei den Pilzen im «Wolligen Milchling» seine Entsprechung, und für den «Scheidenstreifling» finden sich bei anhaltender «#Me-Too»-Debatte sicher auch rasch die passende Besetzung. Excusez.
Bei uns heisst es: Pilze «rüsten», weil man hier generell gerne die militärische Anbindung hervorhebt, beim Schwaben heissts schlicht «putzen». Was auch einiges aussagt. Unhaltbar allerdings auf beiden Seiten der Grenze die Methoden, Pilze haltbar zu machen: Einfrieren, sogar schockfrosten, trocknen bzw. dörren, Einlegen in Essig oder Öl – und in der Schweiz spielt man ihnen ärgstenfalls ein paar Lieder von Gölä vor, damit sie in eine Art Schlafstarre fallen, in der EU gelingt dasselbe mit dem Vorlesen von EU-Richtlinien für das Pilzesammeln.
Jetzt hätten wir fast Herrn Schneider-Ammann vergessen – für den bliebe immerhin der «Schwarzpunktierte Schneckling» übrig. Wer mit dem «Harten Zinnobertäubling» gemeint sein könnte, dürfte nun wirklich nicht mehr so schwer zu erraten sein …
Liebe Feindschmecker – en Guete!