
Seit Ackergaul Johann abgeschirrt wurde, scharrt in der Startbox Rennpferd Karin, seine vermeintlich unbestrittene Nachfolgerin. Nachdem Zirkuspferd Doris ihre Puschel ebenfalls abgelegt hat, ist es unruhig im Stall des Bundeshauses. Zwischen faulen Rossäpfeln stehen sich Hengste und Stuten auf die Hufe. Die Knechte und Mägde in Bern entscheiden am 5. Dezember auf welches Pferd wir Schweizer setzen müssen.
Langsam sind die Augen von den Tränen der Rührung getrocknet. Johann Schneider-Ammann will nach seinem Rücktritt mehr Zeit haben für seine Familie und Doris Leuthard stiess zwei Tage nach ihm schluchzend ins selbe Horn. Eigentlich ist eine Bundesratswahl wie ein Besuch auf dem Pferdemarkt. Das mag daran liegen, dass wir als Kinder alle von Pferden umgeben gewesen sind, sei es bei Winnetou und Old Shatterhand auf Iltschi und Hatatitla oder dem kleinen Onkel von Pippi Langstrumpf. Oder zumindest weil wir so lange am Herbstmarkt Reitschule fahren mussten, bis uns die Zuckerwatte wieder hochgekommen ist. Wie dem auch sei, unter der Bundeshauskuppel reagieren die Volksvertreter und die Journaille immer gleich, wenn ein Bundesrat refüsiert, sprich den Sprung über die nächste politische Hürde verweigert. Kaum ein Medien-erzeugnis, welches sich nicht auf das «Kandidatenkarussell» stürzt, bis es der Leserschaft schwindelig wird.
Die Wandelhalle verwandelt sich deshalb bis zu den Ersatzwahlen in einen veritablen Pferdemarkt. Ganz zu vorderst steht dabei Fury aus dem Stall FDP, ein Pferd, das schlicht alles kann, alias Karin Keller Sutter. Sie ging schon einmal an den Start, vor acht Jahren, lahmte aber und wurde von Boxer überholt, benannt nach dem treuen Pferd auf der «Farm der Tiere», das bis zur Erschöpfung arbeitete und gelegentlich bei Sitzungen ein Nickerchen einlegen musste. In den Wettbüros bestehen in diesem Jahr kaum Zweifel: Wer auf Fury setzt, setzt für einmal nicht aufs falsche Pferd. Die Quoten stehen auch deshalb so gut, weil viele Pferde sofort vom Karussell sprangen, kaum hatte sich dieses in Bewegung gesetzt.
Stutenbissig
Einige Polit-Hengste fürchteten sich offenkundig vor einer anstehenden Diskussion über Frauenquote oder anders ausgedrückt vor der Stutenbissigkeit. Allerdings hat sich die Stutenfrage etwas entschärft, weil sich mit Black Beauty, alias Doris Leuthard aus dem Stall CVP, eine Frau selber aus dem Rennen nahm. Dem Karussell gibt das nur noch mehr Schwung. An der Futterkrippe sind jedenfalls zwei freie Plätze. Aber bleiben wir bei den abgesprungenen Hengsten. Interessanterweise ist das Wiehern nach einem Sattel im Bundesrat in der Innerschweiz genau so laut wie in der Ostschweiz. Aber für die geht eben Fury an den Start. Dennoch gaben der Obwaldner Erich Ettlin und sein Urner Stallgenosse Isidor Baumann bekannt, sie würden sich lieber weiter in einer Gruppe politischer Junggesellen herumtreiben, wie das junge Hengste so machen, statt einen Derby-Sieg anzustreben.
Davon profitieren soll Heidi Z’graggen, die stellvertretend als Rosinante nach den höchsten politischen Weihen in der Schweiz streben soll. Rosinante und sein treuer Reiter, der glücklose Don Quijote de la Mancha, haben es in der 170-jährigen Geschichte der Eidgenossenschaft nicht geschafft, eine einzige Windmühle zu besiegen. Angesichts dieser Voraussetzungen verdient sich die Kandidatur des Nidwaldner Hans Wicki, aus dem Stall FDP, nur die Nebenrolle von Rucio. Der Esel trägt Sancho Panza hinter seinem Herren Don Quijote nach.
Intelligenz zwischen den Beinen
Eine ganz ähnliche Rolle fällt in Zeiten der Gleichberechtigung allen anderen Hengsten zu, wie dem Schaffhauser Christian Amsler, Hans Wicki (NW) oder Peter Hegglin (ZG). Die meisten Veterinärvereine sind sich einig, dass die Gelegenheit genutzt werden sollte, zwei Stuten in die Landesregierung zu wählen. Zumal mit Elisabeth Schneider-Schneiter (BL) und Viola Amherd (VS) zwei weitere Rosse auf der Koppel Ambitionen hegen. Ein Hengst müsste schon verdammt clever sein, um vor einer der Stuten vor den Streitwagen gespannt zu werden. Zumindest so wie Jolly Jumper, der die Erkenntnis zementiert, Männer hätten den Verstand zwischen den Beinen, was durchaus treffend ist, wenn Lucky Luke auf ihm sitzt.
In jedem Fall sind die Wettbüros ab sofort geöffnet. Dabei kann man natürlich auch auf einen Aussenseiter setzen. Die beste Quote hat Incitatus aus der «Grünen Zirkuspartei», wie sie zu Zeiten Caligulas hiess. Der römische Kaiser verehrte sein erfolgreiches Rennpferd derart, dass er es in einem Palast leben liess, mit kostbaren Möbeln, eigenem Gesinde und es hielt ordentliche Gelage ab. Das Ross empfing sogar Staatsgäste und pflegte die Rituale des orientalischen Hofzeremoniells. Caligula soll es im Jahr 42 n. Chr. sogar mit Konsulwürden ausgestattet haben.
Nun, wie hat ein englischer Buchmacher gesagt: «Nichts ist so unvorhersehbar wie die Pferdewetten von morgen.» Recht hat er und sollte es dazu kommen, dass keine Stuten gewählt würden, braucht es nur einen Schnitt und aus dem Hengst wird ein Wallach.