Sich wehren in Ehren

Hanskarl Hoering | veröffentlicht am 02.11.2018

Schon 1159 vor Christi wurde in Ägypten erstmals gestreikt. «Wir sind hungrig!», riefen die Königsgrabarbeiter. Ihr geforderter Lohn bestand aus einem Getreidedeputat. Ob ihre Forderung von Erfolg gekrönt wurde, verschweigen des Papyrus Hieroglyphen.

Sich wehren in Ehren
Andy Harper | (Nebelspalter)

Erst 748 Jahre später brachte Aristophanes sein Lustspiel «Lysistrata» aufs Freilufttheater. Hier streikten die Griechinnen weder Geldes noch Getreides wegen. Sie verweigerten sich ihren liebestollen Männern, damit diese nicht mehr in sinnlosen Kriegen ihr Leben aufs Spiel setzten. Der Komponist Richard Mohaupt nannte ein dieses Thema aufgreifendes Ballett entsprechend «Der Weiberstreik von Athen». In Bayern wurde eine Ausstrahlung von «Lysistrata» 1961 boykottiert, weil man in ihr eine Stimmungsmache gegen Adenauers Bestreben witterte, atomar aufzurüsten. Nicht Sexverweigerung, sondern das Gegenteil forderte die Hippiebewegung 1967 mit dem Slogan «Make love, not war!»

Hungerstreik
Mahatma Gandhi fand in den 30er- und 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine ganz andere Art, das Volk vom Bürgerkrieg abzuhalten: er verweigerte mehrfach wochenlang die Nahrungsaufnahme. Man nennt so etwas Hungerstreik. In Gandhis Fall zeitigte es ein positives Resultat, denn es kam tatsächlich nicht zum Krieg!

Etwas ganz anderes war der «Dreigroschenstreik» in Leipzig, in den die Buchdruckergesellen anno 1863 traten. Diese Arbeitsniederlegung hat natürlich nichts mit der «Dreigroschenoper» und erst recht nichts mit Dreigroschenheften zu tun. Es hängt damit zusammen, dass die Drucker für tausend gesetzte «n» drei Groschen verlangten. Der Druckerstreik fand seine Wiederbelebung 1973 in Köln, und elf Jahre danach in der gesamten Bundesrepublik Deutschland; da ging es um die Einführung der 35-Stunden-Woche.

Bummelstreik
Um Irrtümer auszuschliessen, sei noch auf den Bummelstreik verwiesen. Er ist keineswegs ein Streik für Bummelanten, nein, man nennt ihn auch «Dienst nach Vorschrift». Er wird forciert von Beschäftigten, die durch Verringerung oder Verlangsamung ihres Arbeitstempos ihren Arbeitgeber bewusst schädigen oder unter Druck setzen wollen. Für diesen bestehen jedoch, will er dem beikommen, erhebliche Beweisschwierigkeiten. Beliebt waren bei Studenten und anderen Revoluzzern in den 1960er-Jahren Sitzstreiks. Diese Urform des passiven Widerstandes kam aus North Carolina und hiess dort «Sit-in». «Sit-ins» wandelten sich oft zu «Teach-ins», also Streiks mit belehrendem und informativem Charakter auf dem Campus von Universitäten. Manchmal wurde statt des Sit-ins auch ein Die-in veranstaltet, wo man sich auf ein vereinbartes Signal wie tot auf den Boden fallen liess. Gängig war auch ein demonstratives Eindringen in Veranstaltungen unter dem Begriff «Go-in». Heutzutage wird von verschiedenen Abgeordneten in den Parlamenten häufig ein «Go-out» bevorzugt.

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